
Befehlsverweigerung rettete den Wiener Stephansdom
Wien [ENA] Welch unglaubliche Zerstörungswut in Kriegen explodiert und vor absolut nichts zurückschreckt, zeigt auch die Geschichte von der Rettung des Wiener Stephansdoms am Ende des Zweiten Weltkrieges, als durch eine Befehlsverweigerung die 800 Jahre alte Kathedrale im Herzen von Wien, dieses ehrwürdige Gebäude von überragender gotische Baukunst und einer düsteren, sakralen, monumentalen Atmosphäre geprägt, gerettet wurde.
Dieses herrliche Gebäude, in das die tiefsten religiösen Gefühle eingemeißelt scheinen und heute endlose Touristenströme staunend das 109 Meter lange Kirchenschiff durchwandern, Hochzeiten gefeiert oder Staatsbegräbnisse abgehalten werden, sollte als Vergeltung für das Hissen einer weißen Fahne von hundert Granaten in Schutt und Asche gelegt werden. So lautete wenigstens am 10. April 1945 der Befehl des Kommandanten einer SS-Artillerieabteilung zu einer Zeit als der Kampf um Wien gegen die Sowjetische Rote Armee schon längst verloren war. Der Retter der Stunde war der aus Celle bei Hannover stammende Wehrmachtshauptmann Gerhard Klinkicht, der die schriftliche Anordnung mit den Worten "Nein, dieser Befehl wird nicht ausgeführt" zerriss.
Klinkicht, der den Stephansdom schon als junger Pfadfinder bewundert und besucht hatte, sah in der Zerstörung eines der erhabensten Kulturdenkmäler Europas ein Verbrechen, auch wenn er sich und seinen Soldaten damit das ganze grauenhafte und sinnlose Ausmaß eines verlorenen Krieges eingestehen musste. Trotzdem brach am Abend des 11. April 1945, wahrscheinlich durch weitere Kriegshandlungen ausgelöst, noch ein schrecklicher Brand im Dom aus, der immerhin 800 Jahre etliche Kriege überdauert hatte. Die Pummerin stürzte zu Boden und einige Gewölbedecken stürzten ein, sodass es schien, als ob die Kathedrale doch noch verloren wäre. Erst der Wiederaufbau nach 1945, teilweise durch Spenden finanziert, hat den "Steffel" für die Nachwelt gerettet.