Strompreisbremsengesetz und Bioenergie
Rom/Berlin [ENA] Am 01.12.2022 befasste sich der deutsche Bundestag in seiner ersten Lesung mit dem Strompreisbremsengesetz, welches u.a. die Abschöpfung von Strommarkterlösen von Erneuerbare-Energien-Anlagen vorsieht. Strompreisbremsengesetz darf Versorgungssicherheit aus heimischer Bioenergie nicht gefährden. Sandra Rostek, Leiterin des Hauptstadtbüro Bioenergie, kommentiert:«Der aktuell dem Parlament vorliegende Gesetzentwurf
einer Strompreisbremse muss hinsichtlich der Abschöpfung von Strommarkterlösen aus Bioenergieanlagen von Grund auf nachgebessert werden. Es ist sehr zu begrüßen, dass dies heute auch in der Debatte explizit so festgestellt wurde. Denn die Bioenergie eignet sich schlicht nicht für eine Abschöpfung. Nicht nur sind die Kosten in den letzten Monaten in Bezug auf Wartung, Reparatur, Betriebsmittelkosten sowie Brennstoffe und Substrate stark gestiegen, auch ersetzen Bioenergieträger flexibel fossile Brennstoffe im Strom- und Wärmemarkt. Sie stehen folglich in direkter Konkurrenz zu Erdgas und Kohle, welche die Preistreiber in der aktuellen Energiekrise sind. Zwar versucht der vorliegende Gesetzentwurf mit einer unzureichenden Anhebung
des Sicherheitspuffers eine Antwort auf die Kostensteigerungen bei Biogas zu geben, doch die massiven Kostensteigerungen bei allen weiteren Biomasseanlagen, die z.B. Altholz oder Stroh einsetzen, werden weiter völlig ignoriert. So haben sich beispielsweise die Preise für Altholz seit Juli 2021 von ca. 10€/t auf ca. 90€ im Juli 2022 nahezu verzehnfacht. Doch nicht nur Betriebs- und Einsatzstoffe sind teurer geworden, auch der Preis für Ersatzteile und Reparaturen steigt. Kommt die Abschöpfung für Bioenergieanlagen, können die wachsenden Kosten nicht mehr gedeckt werden. Daneben macht es aus energiewirtschaftlicher Sicht absolut keinen Sinn, Erlöse aus der flexiblen Stromproduktion nahezu vollständig abzuschöpfen.
Hierdurch geht unweigerlich der Anreiz verloren, die Stromerzeugung auf die Zeiten mit den höchsten Börsenpreisen, also die Stunden mit dem höchsten Erdgasverbrauch zu verlagern und so den Strompreis über das Marktgeschehen zu senken. Die vorgeschlagene Bagatellgrenze für Erneuerbare Energien Anlagen von einem Megawatt ist zwar grundsätzlich zu begrüßen, diskriminiert aber insbesondere jene Biogasanlagen, die ihre Leistung zur flexiblen Stromproduktion erhöht und sich frühzeitig für eine teurere, aber netzdienlichere Stromproduktion entschieden haben. Auch ist zu befürchten, dass bei einer Abschöpfung von Anlagen über einem Megawatt wesentliche flexible Leistungen kurzfristig außer Betrieb genommen werden.
Folgerichtig ist nach wie vor die vollständige Ausnahme der Bioenergie aus dem Abschöpfungssystem notwendig. Wir appellieren daher an die Abgeordneten des Bundestags die heute parteiübergreifend angekündigte Nachbesserung bei der Bioenergie umzusetzen, damit diese, ihren größtmöglichen Beitrag zur Versorgungssicherheit im kommenden Winter leisten können». Im „Hauptstadtbüro Bioenergie“ bündeln vier Verbände ihre Kompetenzen und Ressourcen im Bereich Energiepolitik: der Bundesverband Bioenergie e.V. (BBE), der Deutsche Bauernverband e.V. (DBV), der Fachverband Biogas e.V. (FvB) und der Fachverband Holzenergie (FVH).
Die Bioenergieverbände im HBB haben hierzu eine Stellungnahme veröffentlicht. Das sind die wesentlichen Punkte in Kürze:« 1. Grundsätzliche Ausnahme von Biogas und fester Biomasse: Bioenergieanlagen waren in den vergangenen Jahren und insbesondere seit Beginn des Ukrainekriegs massiven Steigerungen der festen und variablen Produktionskosten ausgesetzt. Damit Anlagenbetreiber die vergangenen Kostensteigerungen und ggf. zukünftige weitere Kostensteigerungen durch höhere Stromerlöse refinanzieren können, muss die Stromerzeugung aus Biogas und fester Biomasse grundsätzlich vom Abschöpfungsmechanismus ausgenommen werden. Diese Möglichkeit ist auch von der dem Gesetz zugrundeliegenden EU-Verordnung 2022/1854 gedeckt. Sollte
der Abschöpfungsmechanismus in der im Kabinettsentwurf (KabE) beschriebenen Form umgesetzt werden, ist mit einer massiven Leistungsreduktion durch Bioenergieanlagen zu rechnen. Dies kann in Anbetracht der aktuellen Energiekrise nicht das Ziel der Bundesregierung sein. 2. Deutlich höhere Sicherheitszuschläge: Insofern Biomasse nicht vollständig ausgenommen wird, müssen die Sicherheitszuschläge auch die vergangenen bzw. absehbaren Steigerungen der variablen und fixen Kosten berücksichtigen. Die im KabE vorgesehene Erhöhung des Sicherheitszuschlags für Biogasanlagen von 3 auf 7,5 ct/kWh reicht dafür in keiner Weise aus. Dies gilt auch für Biomasseanlagen, welche Altholz und sonstige Biomasse nutzen, und welche die höheren Erlöse benötigen,
um die rasant steigenden Rohstoffpreise zu decken. Angemessene Sicherheitszuschläge wären für Biogas (ohne Biomethan) 12 ct/kWh, für Altholz 13 ct/kWh und für Frischholz 9 ct/kWh, jeweils zuzüglich des aktuellen bzw. früheren anzulegenden Werts, jeweils einschließlich so genannter „ausgeförderter Anlagen“. 3. Keine Abschöpfung von Erlösen aus der flexiblen Stromproduktion: Laut KabE soll die Differenz zwischen „gestatteten Erlösen“ (anzulegender Wert zzgl. Sicherheitszuschlag) und den realen Spotmarkterlösen abgeschöpft werden. Damit werden auch die Einnahmen aus der flexiblen Stromproduktion abgeschöpft und Bioenergieanlagen verlieren den Anreiz, ihre Stromproduktion auf Zeiten mit besonders hohem Strombedarf zu verlagern.
Dies erhöht den Erdgasbedarf in Spitzenlastzeiten und ist insbesondere in der jetzigen Krisensituation energiewirtschaftlich falsch. Statt der Differenz zwischen den realen Spotmarkterlösen und dem „gestatteten“ Erlös, darf nur die Differenz zwischen dem energieträgerspezifischen Monatsmarktwert und dem gestatteten Erlös abgeschöpft werden (so wie dies im KabE bereits für Wind- und Solarenergie vorgesehen ist). 4. Änderung der Bagatellgrenze: Insofern Biomasse nicht vollständig ausgenommen wird, darf sich die 1 MW Bagatellgrenze nicht auf die installierte Leistung beziehen, sondern auf die Bemessungsleistung (im Jahr 2021). Bei einer Bestimmung der Bagatellgrenze über die installierte Leistung würden Anlagen schlechter gestellt,
installierte Leistung zum Zweck der flexiblen Stromerzeugung erhöht haben (ohne ihre Stromerzeugung zu erhöhen). Bei einer Bestimmung über die Bemessungsleistung wird die Absicht hinter der Bagatellgrenze, Anlagen mit einer Stromerzeugung unterhalb einer gewissen Schwelle auszunehmen, umgesetzt, ohne dass flexibilisierten Anlagen gegenüber nicht-flexibilisierten Anlagen schlechter gestellt werden. 5. Keine Rückwirkung: Die Abschöpfung ab 1.12. von Termingeschäften, Festpreisverträgen oder PPA-Geschäften, die bereits vor dem 1.12. geschlossen wurden, zerstört massiv das Vertrauen der Wirtschaft in die Politik und treibt gerade Bioenergieanlagen wegen hoher Brennstoffkosten in die Verlustzone.
Insofern Biomasse nicht grundsätzlich ausgenommen wird, darf die Abschöpfung keine Erlöse aus den oben genannten Geschäften, die bereits vor dem 1.12. abgeschlossen wurden, umfassen».