
Baden-Württemberg billigt rechtswidrige Kälbertransporte
Stuttgart [ENA] Die Tierschutzorganisationen 'X ORGA', 'Menschen für Tierrechte BW e.V.' und 'Black Forest for Animals e.V.' veranstalteten zusammen am 8.4.23 eine Kundgebung in Stuttgart-Mitte unter dem Motto "Jedes Leben zählt – helft, das große Leid von Mutterkühen und Kälbern zu beenden!" Der Landwirtschaftsminister Hauk (CDU) weigere sich, rechtswidrige Kälbertransporte zu untersagen, lautet der Vorwurf der TierschützerInnen.
Im Folgenden wird eine Stellungnahme von XOrga vereint für Tierrechte e.V. zum Thema der Kälbertransporte veröffentlicht.
Um das Leid der Tierkinder auf qualvollen Kälbertransporten zu beenden, richten wir Tierrechtler:innen schon jahrelang eindringliche Appelle an die grün-schwarze Landesregierung und an die Opposition Baden-Württemberg, an das Bundesministerium für Landwirtschaft und an die Europäische Kommission. Nach der Verordnung der Europäischen Gemeinschaft ((EG) Nr. 1/2005) darf nämlich niemand eine Tierbeförderung durchführen oder veranlassen, wenn den Tieren dabei Verletzungen oder unnötige Leiden zugefügt werden könnten.
Schlussfolgerung der Animal Welfare Foundation
Dier Tierschutzorganisation Animal Welfare Foundation schreibt in einem neuen Bericht, Zitat: "Von Sammelstellen aus ganz Europa gehen Kälber auf lange Transporte. Vor dem Transport sollten die Kälber an den Sammelstellen gefüttert werden, genauso wie an den Kontrollstellen, wo 24 Stunden Zwischenstation Pflicht sind. Die Realität sieht anders aus. Unsere Teams dokumentieren auf sechs verschiedenen Transportrouten, dass die Kälber tagelang unter Hunger leiden."
"An den Kontrollstellen fehlt es an Personal, um die Säuglinge einzeln an die Tränken heran-zuführen. Viele Kälber gehen leer aus.Statt Milch gibt es lediglich Elektrolytlösung. Die hält die Tiere am Leben, stillt aber nicht ihren Hunger. In unserem neuen Dossier weisen wir Hungerzeiten von bis zu 53 Stunden nach. Schüchterne und Schwächere Tierkinder gehen sowieso ganz leer aus. Niemand hilft ihnen, an die Tränken zu kommen."
Diese Recherchen der Animal Welfare Foundation zeigen, dass das System „Kälbertransport“ nie funktionieren kann, weil die Anforderungen an die Versorgung von Säuglingen extrem hoch sind. Auch eine neue Transportverordnung oder ein sogenannter „Spezial-LKW“ werden die aktuellen Probleme nicht lösen. Die Schlussfolgerung der Animal Welfare Foundation: "Auf Milch angewiesene Kälber sollten überhaupt nicht transportiert werden. Dafür setzen wir uns weiter ein. Setzen auch Sie sich gegen Kälbertransporte ein!"
Landesregierung duldet Quälerei von vulnerablen Tierkindern
Aber die Landesregierung hier in Baden-Württemberg klammert sich immer noch hartnäckig an den höchst fehlerhaften Eilentscheid des Verwaltungsgerichtshofes Mannheim, welcher diese unerträglich brutalen Kälbertransporte erlaubt. Die Landesregierung beruft sich auf die im Eilverfahren getroffene Fehlentscheidung dieses offenbar unzureichend informierten Gerichtes in Mannheim und duldet die zunehmende, langanhaltende Quälerei von vulnerablen Tierkindern.
Eine Feststellungsklage vor Gericht, die endlich ein Hauptsacheverfahren nach sich zieht, brachte die Landesregierung - trotz unserer aller Steuergelder - nicht zustande. Nein, Herr Hauk berief sich stattdessen darauf, dass ja zwei Tierschutzorganisationen, welche über das Verbandsklagerecht verfügen, beim Verwaltungsgericht Sigmaringen 2022 Klage eingereicht hätten. Aber was ist im Dezember 2022 passiert? Das Verwaltungsgericht Sigmaringen hat die Klage der beiden Tierschutzorganisationen mit dem fadenscheinigen Argument eines „Formfehlers“ abgewiesen. Das bedeutet, dass abertausende empfindsamer Tierkinder immer noch unbegrenzt entsetzliche Höllenfahrten erleiden.
Deswegen haben wir am 22. Februar dieses Jahres wieder einen Antrag gemäß Landesinformationsfreiheitsgesetz an den Landwirtschaftsminister Hauk gestellt. Wir fragten, ob nach der Ablehnung der Klage der beiden NGOs vom Verwaltungsgericht Sigmaringen die Landesregierung Baden-Württemberg nun ihrerseits ihre Pflicht tut und die schon länger ausstehende Erhebung einer Feststellungsklage in Sachen Kälbertransporte vornehmen würde und warum Kälbertransporte erlaubt werden, obwohl die Fehl-Entscheidung des VGH Mannheim eine Eilentscheidung war und deswegen eigentlich gar keine längerfristig verbindliche Entscheidung sein darf.
In der Antwort des Landwirtschaftsministeriums Baden-Württemberg vom 16. März wurde diesen Fragen von uns nicht stattgegeben. Fakt ist: Herr Hauk missachtet seine Schutzpflicht für vulnerable Kälber und weigert sich, zügig rechtswidrige Kälbertransporte zu untersagen. Man stößt in der Auseinandersetzung mit den Regierenden von CDU und Grünen und der Opposition hier in „The Länd“ vorrangig auf die Argumentation, dass es bei uns leider „keine ausreichenden Absatzmöglichkeiten für die Kälber gibt. Denn die Nachfrage nach Kalbfleisch wäre nämlich begrenzt und die regionale Kälbermast wäre teurer als in anderen Ländern“.
Landwirtschaftsminister Hauk ruft gar dazu auf, man solle mehr regionales Kalbfleisch konsumieren, um so dem Problem der Kälbertransporte entgegenzuwirken. Das ist Irrsinn, denn nicht der Fleischkonsum generiert dieses höchst tierschutzrelevante Problem, sondern der Markt für Milch- und Molkereierzeugnisse. Zu mehr Konsum von Kalbfleisch aufzurufen, zeigt wie wenig Minister Hauk und leider auch die Grünen in Baden-Württemberg von Klimaschutz, Umweltschutz, Gesundheit, tatsächlichem Tierrecht und zeitgemäßer Tierethik verstanden haben.
Und es zeigt, wie wenig Empathie bei vielen Politiker:innen für Tierkinder vorhanden ist, welche gleich nach der Geburt schmerzhaft ihren Müttern entrissen werden und bereits im jüngsten Kindesalter für menschliche Genüsse gequält und getötet werden. Und auch die Tiermütter leiden unter der Trennung von ihren Kindern wie Menschenmütter, denn basale Emotionen wie Furcht, Angst oder Freude sind bei Mensch und Tier von den gleichen neuronalen Schaltkreisen erzeugt und gesteuert, sagt die Wissenschaft.
Deshalb: Kälber gehören zu ihren Müttern! Die Muttermilch gehört den Kälbern! Keine erwachsene Spezies trinkt mehr Muttermilch, aber Menschen tun dies – und nicht mal die eigene! Zumal ein Großteil der Weltbevölkerung keine artfremde Milch verträgt, ganz zu schweigen von dem erhöhten Risiko für manche Krebsarten. Dass die Tierbestände reduziert werden müssen und gleichzeitig die pflanzenbasierte Landwirtschaft zunehmen muss – für die Umwelt, für die Tiere und gegen den Hunger auf der Welt - kann und darf niemand mehr leugnen! In Artikel 20a GG steht: "Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung..."
Hier noch ein TV-Tipp: 'Die Spur der Kälbchen - die Schattenseiten der Milchwirtschaft', https://programm.ard.de/TV/swrfernsehenbw/die-spur-der-k-lbchen/eid_281134000896148