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Corona-Krise und lebendige Kultur

Verantwortlicher Autor: Friedrich S. Lenz Leipzig / Brünn, 01.12.2020, 13:00 Uhr
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 Karlovy Vary
Karlovy Vary  Bild: Lenz Symbolfoto Tschechien

Leipzig / Brünn [ENA] „Heute möchten wir Kultur lebendig machen, ihr einen Raum geben, um Covid-19 ein Schnippchen zu schlagen.“ So formuliert es Botschafter Tomáš Kafka beim deutsch-tschechischen Festival, das Diskussionen mit deutschen und tschechischen Kunstschaffenden zum Leben im Krisenmodus ermöglichte.

„Mit dem Einzug der Corona-Restriktionen fühlte ich mich so, als würden all meine apokalyptischen Gedanken realisiert. Was real passierte, übertraf, was sich Literatur hätte ausdenken können, und ich fragte mich: Wer schreibt gerade diesen Roman? Es war ein Gefühl wie im Krieg zu leben, aber mit Waffen, die völlig andere sind, als in den letzten Jahrhunderten: nämlich, zu Hause sitzen zu müssen,“ so das Resümee von Tereza Semotamová.

Das Virus schaffte ein neues Narrativ, forderte Solidarität ein, aber es wurde schwer, diese umzusetzen, so Heike Geißler: „Vor allem fehlte gesellschaftlich etwas, denn wir brauchen Möglichkeitsräume dafür, auf Ideen zu kommen, Ideen zu verwerfen, kommunikativ zu arbeiten. Kulturelle Orte sind ganz wesentliche Orte für Demokratien.“ Auch das Schreiben selbst habe sich durch die Corona-Krise verändert. Martin Becker stellte dar, wie ihm der Schrecken das Tempo genommen, seinen Schreibprozess verlangsamt habe. Auch das Denken veränderte sich, plötzlich hatte man einen anderen Zugang zu Nähe.

Tereza Semotamová hob hervor, wie das Schreiben eine therapeutische Funktion bekam und damit zu ihrer Waffe gegen die Verlangsamung wurde. Es sind extreme Bedingungen, auch für Schriftsteller und Schriftstellerinnen die, wie Viktorie Hanišová herausstellte, schon in "normalen Zeiten" kaum vom Schreiben allein leben können. Vor allem in Deutschland habe sie mehr Auftritte als in Tschechien. Chancen der Krise sieht sie in der Stärkung des Austauschs auf digitaler Ebene. Diese führe zwar aus der Einsamkeit heraus, aber die Intensität gehe verloren.

Am zweiten Festivalabend las Vít Slíva aus seinem ausdrucksstarken Gedichtband „Trommeln auf Fässer“ und brachte seine Sprache zum Klingen. Dass seine Gedichte auch Musiker inspirieren, illustrierten zwei Gedichtvertonungen. Marek Toman stellte sein Werk „Konditorei zum Schielenden Jim“ vor, in dem er Literatur bei einer Tasse Kaffee zu den Ganoven des Wilden Westens bringt und so in den Abenteurern die Lust am Denken und Lesen weckt. Zum Abschluss präsentierte Irena Dousková ihren Roman „Die weißen Elefanten“, der ein bewegendes Bild der Tschechoslowakei der 70er Jahre zeichnet.

Das deutsch-tschechische Festival fand im Rahmen der Reihe „Echo Tschechien 2020“ statt, die von der Mährischen Landesbibliothek Brünn im Auftrag des Kulturministeriums der Tschechischen Republik durchgeführt wurde, gemeinsam mit dem Tschechischen Literaturzentrum Prag, dem Tschechischen Zentrum Berlin, dem Generalkonsulat der Tschechischen Republik in Sachsen und zahlreichen Kooperationspartnern. Weitere Infos auf Youtube: https://www.youtube.com/watch?v=PBzLybPhx4g Archivfotos: © www.lenz.en-a.ch

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