Donnerstag, 12.12.2024 20:34 Uhr

Amerikanische Siedlung am Perlacher Forst

Verantwortlicher Autor: Theo Goumas München, 17.10.2024, 00:03 Uhr
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München [ENA] Die Amerikanische Siedlung am Perlacher Forst, von allen Ami-Siedlung genannt, läuft Gefahr ihren einmaligen Charakter für immer zu verlieren. Hinzu kommen erhebliche Schäden an Flora und Fauna, Luft- und Lebensqualität. All das wird durch blumige Aussagen der Politiker und der BImA, der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, kaschiert. Aber es gibt heftigen Widerstand.

Die Geschichte der Siedlung geht zurück ins Jahr 1953. Einen Steinwurf entfernt lag die McGraw-Kaserne der amerikanischen Streitkräfte, die in besetzten Häusern im benachbarten Harlaching wohnten, und dringend Wohnraum brauchten. Deswegen rodete der Bund einen Hektar Wald des Perlacher Forstes und baute dort Häuser für Soldaten und Offiziere. Die Soldaten wohnten in Häuserblocks bestehend aus drei Gebäuden, mit jeweils Hochparterre, 1. und 2. Etage und unterm Dach gab’s Zimmer fürs Personal. Die Offiziere wohnten auf der östlichen Seite der Siedlung in Doppelhaushälften.

Die Häuser sind alle gleich geschnitten und schauen auch gleich aus. Die Doppelhaushälften bestehen aus sechs Zimmern, Küche, Bad, Garten vorne und hinten und einem Carport mit dazugehöriger Auffahrt. Die Häuserblocks sind folgendermaßen konfiguriert: 5 – 4 – 3 – 3 - 4- 5 Zimmer. Bedeutet: Die Wohnungen im Haus rechts, haben eine 5-Zimmerwohnung rechts, eine 4-Zimmer links, das Haus in der Mitte 3-Zimmer auf jeder Seite des Treppenhauses und das Haus links ist spiegelverkehrt zum Haus rechts. Das ganze liegt im Grünen mit sehr vielen Bäumen vom ursprünglichen Wald und keines der Gebäude ist direkt an der Straße gebaut, sondern weiter hinten.

Die Straßen waren damals breit ausgelegt und es gab fast keine Bürgersteige oder Radwege. Tiefgaragen gibt es auch keine, geparkt wurde damals wie heute auf eigens angelegten Parkplätzen und auf der Straße. In der Siedlung gab es ein Kino, das noch heute in Betrieb ist und als einziges Gebäude unter Denkmalschutz steht. Es gab einen PX (kleines Einkaufszentrum), ein Heizkraftwerk, einen Burger King, Schulen, die University of Maryland (in der Peter-Auzinger-Str. am Ende der Kaserne), eine Kirche, ein Krankenhaus, eine Tankstelle an der Tegernseer Landstraße und einen Autohändler, der amerikanische Autos, wie Pontiac, verkaufte.

Die Siedlung war wie ein kleines Amerika. Bezahlt wurde mit USD, Strom hatte 110 Volt, die US Military Police fuhr streife, die Mülltonnen waren nach amerikanischem Muster mit halbrundem Deckel und es gab Wachposten an den zuerst drei, später zwei Zufahrten zur Siedlung, weil die Zufahrt von der Fasangarten zur Marklandstr. aufgrund der Sicherheit gesperrt wurde. In der Siedlung herrscht damals wie heute Tempo 30, und ist somit die älteste Tempo 30 Zone Münchens. Zudem hatten die Amerikaner ihre eigenen Radio und TV-Sender, AFN. Radio konnte am auf Kurzwelle und TV auf SECAM empfangen, aber nur wenn man in der Nähe wohnte, denn die Antenne stand gegenüber der Kaserne an der Soyerhofstr.

Auch nicht-Amerikaner durften in die Siedlung und konnten beim Burger King essen und im Zeitschriftenhandel ohne Vorlage eines Ausweises Magazine und Zeitungen kaufen. Fürs Kino, Tankstelle und alle anderen Geschäfte, musste man den Streitkräften angehören, weil u.a. die Preise sehr niedrig waren. Nur während des 1. Irakkriegs war es etwas schwerer in die Siedlung zu kommen, weil an den zwei Zufahrten streng kontrolliert wurde und man ohne sich ausweisen zu können, nicht rein durfte.

In den Jahren 1992 – 1993 wurde die Kaserne geschlossen und die Streitkräfte zogen fort. Die ganze Siedlung fiel somit wieder dem Bund zu, der aufgrund der hohen Kosten nicht alle Häuser sanierte und den größten Teil an Bundesbedienstete günstig vermietete. Weil die Sanierung jedoch ziemlich teuer ist und war, standen einige Blocks an der Pennstr. lange leer, die dann 2004 an die Patrizia aus Augsburg verkauft wurden, die die Häuser sanierte und an Privatpersonen weiterverkaufte.

Später wurden auch auf der südlichen Seite der Cincinnatistr. die Gebäude an die Partrizia verkauft, die die Wohnungen entweder an die schon drin lebenden Mieter oder an Investoren verkaufte, mit der Auflage die Mieter zehn Jahre zu einer günstigen Miete drin wohnen zu lassen und bei Sanierung/Renovierung leicht erhöhen zu dürfen. Das sind die bunten Blocks entlang der Cincinnati und Pennstr.

Damals wollte die Patrizia nachverdichten und zwar wollte sie entlang der Tegernseer Landstr. Häuserblocks bauen, um auch als Lärmschutz zu dienen, weil direkt davor die Autobahn verläuft. Die Stadt München und der Bund legten sich quer und verboten eine Nachverdichtung u.a. weil die ganze Siedlung ein Biotop ist und man hier nichts bauen darf und außerdem soll der Charakter der amerikanischen Siedlung erhalten bleiben. Deswegen dürf(t)en die Bewohner von Hochparterrewohnungen ihre Gärten nicht einzäunen und auch kein Obst oder Gemüse anbauen.

2007 kam jedoch die Stadt München und verschmälerte die Straßen, installierte überall Bürgersteige, legte (weniger) Parkplätze entlang den Straßen an und veränderte somit den Charakter. Es blieb aber nicht dabei, denn Ende März 2015, schloss der HIT-Markt, der einzige Supermarkt in der Gegend, der im ehemaligen PX untergebracht war, seine Pforten. Das Areal wurde plattgemacht und die Europäische Schule wurde an dessen Stelle hingebaut. Der HIT konnte erst Jahre später in einem Neubau direkt gegenüber wieder eröffnen.

Noch mehr Änderungen sind: das Hotel über dem HIT, die zweite Schiene und Plattform des S-Bahnhofs Fasangarten (jahrzehntelang war die Strecke eingleisig und es gab nur eine Plattform auf der gegenüberliegenden deutschen Seite), die Kirche wurde an die Russen verkauft (welch Ironie!), das Krankenhaus wurde zum Bundespatentgericht, es kam ein zweiter, kleinerer Supermarkt, ein EDEKA, an der Minnewitstraße, vor zwei Jahren ca. noch ein Rossmann direkt gegenüber und ein paar andere Geschäfte dazwischen und ein Ärztehaus und Wohnungen darüber.

Die Tankstelle wurde auch an die Patrizia verkauft, die sie dann weiter veräußerte und nächstes Jahr soll die Münchner-Kindl-Brauerei dort eröffnen. Die AWO durfte auch bauen und das Ami-Fest gibt es leider nicht mehr. Das war das Deutsch-Amerikanische-Freundschaftsfest, das jeden Sommer für zwei Wochen gefeiert wurde und wo man sich wie in den USA fühlen konnte, weil Speis und Trank, Musik und diverse Waren amerikanisch waren.

All diese Veränderungen fallen nicht zu sehr ins Auge und tragen zur Verbesserung der Lebensqualität bei. Was aber jetzt die BImA vorhat, ist eine vollkommene Zerstörung. Zu den bestehenden 1200 Wohnungen, sollen 1000 hinzukommen. Hierzu sollen diverse Häuserblocks aufgestockt oder abgerissen werden und durch riesige Wohnquader, fünf an der Zahl, mit jeweils 4-5 (oder sogar 6) Etagen ersetzt werden. Dabei sollen Flächen versiegelt und viele, teilweise sehr alte Bäume gefällt werden.

Der Münchner Stadtrat, angeführt von den Grünen, unterstützt diesen Plan und ignoriert die Zerstörung der Umwelt und Luftqualität, die so eine Bebauung mit sich bringt. Denn in der Siedlung leben auch sehr viele Tiere, darunter auch seltene Vögel, die ihr Zuhause verlieren werden. Die Siedlung befindet sich in einer Frischluftschneise, die einen großen Teil Münchens mit frischer Luft aus den Bergen versorgt. Da die Siedlung einen Parkcharakter aufweist, ist es um einige Grad kühler als in der Stadt und durch den Wind wird diese Kühle in benachbarte Viertel geweht.

1200 mehr Wohnungen bedeuten ca. 4000 mehr Menschen. Für diese und zusätzlich zu den ca. 4000 die schon hier leben, wird es sehr eng. Es wird an Schulen, Einkaufs- und Freizeitmöglichkeiten, usw. fehlen. Nicht zu unterschätzen ist der Verkehrskollaps, den so eine Nachverdichtung mit sich bringen wird. Ein großes Problem werden nicht vorhandene Parkflächen sein, denn den Schlüssel 1:1, sprich eine Wohnung = ein Auto, soll nicht geben und da sehr viele Haushalte jetzt schon mehr als ein Auto besitzen und es manchmal schwer ist einen Parkplatz zu finden, wie wird es nachher sein?

Ein Problem, über das komischerweise keiner spricht, ist der öffentliche Nahverkehr, der immer noch katastrophal ist. Der S-Bahnhof befindet sich am äußersten Ende der Siedlung und durch die Siedlung fahren zwei Busse, der 220er und der 154er, die aber kaum helfen und sich nur an der Kiefernstr. begegnen. Der Fahrplan ist dünn, es fallen Busse aus und die MVG musste aufgrund von Personalmangel die Verstärkerlinie 147 einstellen. Außerdem kann man nicht von überall in der Siedlung mit dem Bus zum Supermarkt fahren, weil es keine Verbindung gibt. Was wird geschehen, wenn auf einmal doppelt so viele Menschen hier leben?

Da die Ami-Siedlung abgeschottet ist (Autobahn im Westen, Friedhof und Gefängnis im Norden, Bahnschienen im Osten und die Fasangartenstr. im Süden) und die Wege innerhalb des Gebiets alles andere als kurz sind, und wie weiter oben geschildert, der öffentliche Nahverkehr zu wünschen übrig lässt und eine Verlängerung der U-Bahn abgelehnt worden ist, benutzen viele das Auto. Verkehrschaos gibt es derzeit keins, außer erhöhtes Verkehrsaufkommen zu gewissen Zeiten, aber was passiert, wenn doppelt so viel Menschen hier leben?

Die BImA und die Politiker sehen das alles ziemlich locker und sprechen von großartigen Plänen, dass z.B. diese Wohnquader, die Perlach Gardens heißen sollen, Kitas, Gastro, Minimärkte, usw. im Erdgeschoß haben werden, dass der Wohnraum mit 10 Euro den Quadratmeter bezahlbar sein soll (in München sind solche Preise Utopie), und dass es keine Überlastung des Verkehrs geben wird, weil die meisten Leute von zu Hause aus arbeiten werden, ihre Kinder in die Kitas ins Erdgeschoß bringen und nebenan ihre Einkäufe tätigen werden. Die Autos bleiben währenddessen die ganze Zeit in der Tiefgarage. So die Theorie.

Der wichtigste Grund für die Nachverdichtung, so behaupten BImA und Stadtrat, sind fehlende Wohnungen in der Stadt. Die BImA lässt jedoch seit Jahren 50 Wohnungen in der Siedlung leer stehen, weil sie irgendwann saniert werden sollen. Da sich aber eine Sanierung nicht lohnt, sollen sehr viele Gebäude abgerissen und durch Quader bzw. Neubauten ersetzt werden. Gleichzeitig forschte Die Linke in der Stadt und fand heraus, dass mindesten 22.000 Wohnungen in ganz München leer stehen (tz vom 15. Oktober 2024). Laut Zeitungsbericht, wäre das Wohnraum für 40.000 Menschen und man müsste keine Natur zerstören und die Siedlung so lassen, wie sie ist.

Bei der letzten Bürgerversammlung des Bezirksausschusses 17, war auch ein Vertreter der BImA, der allerdings kaum Auskunft geben konnte und lapidar meinte: „Die BImA plant am 28. November 2024 eine Infoveranstaltung in der Siedlung. Kommen Sie gerne und lassen Sie Ihren Frust aus.“ Weitere Infos zum Thema gibt es hier: 1. https://www.bundesimmobilien.de/zwischenloesung-fuer-nahversorgung-in-sicht-1185afa55cfcfcc6 2. https://www.bundesimmobilien.de/aufstellungsbeschluss-fuer-nachverdichtung-der-siedlung-am-perlacher-forst-gefasst-55da1d11de87ba53 3. https://de.wikipedia.org/wiki/Siedlung_am_Perlacher_Forst 4. https://www.merkur.de/lokales/muenchen/streit-um-plaene-fuer-alte-amisiedlung-am-perlacher-forst-92795624.html

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