Richard David Precht "Das Jahrhundert der Toleranz"
Wien [ENA] Heute, am 29. September 2024 finden wieder die Nationalratswahlen in Österreich statt und erlauben einmal mehr über den Sinn und Unsinn von Politik und ihrer medialen Aufbereitung nachzudenken. Dabei könnte auch Richard David Prechts Buch "Das Jahrhundert der Toleranz: Plädoyer für eine wertegeleitete Außenpolitik" behilflich sein, weil es sich u.a. mit der großen Frage der Freund-Feind-Linie auseinandersetzt.
Richard David Precht ist deutscher Philosoph und Autor, aber auch ein Schöngeist, der an das Gute glauben möchte und von einem Endkampf zwischen Demokratien und Autokratien im 21.Jahrhundert träumt. Voraussetzung dafür ist aber Toleranz, denn die Aufgabe unserer Zeit besteht darin, unterschiedliche Entwicklungen und kulturelle Eigenheiten zuzulassen. Menschenrechte, Diversität und Offenheit müssen gelebte Praxis sein. Nicht weniger optimistisch, wenn nicht verwegen, ist seine Analyse der drohenden ökologischen Katastrophe, wenn er darin die Möglichkeit sieht, dass durch den Überlebenskampf die weltweite Zusammenarbeit zwischen verfeindeten Staaten gefördert wird, weil es offensichtlich wird, dass nur Toleranz die Menschheit retten kann.
Wie gehen wir also mit Andersdenkenden und Andersfühlenden um? Dabei verwendet Precht einen fast radikalen Menschenrechtsbegriff, wenn er die Grundsätze der deutschen Verfassung und Werte nicht gut genug findet, weil Europäern der Krieg in Europa noch immer wichtiger ist als der ebenso grausame Krieg im Jemen und die Überschwemmungen infolge des Klimawandels erst dann ernst genommen werden, wenn sie ein europäisches Land betreffen. Der Autor sieht darin zwar eine emotionale Relativierung, die zum Menschen gehört, aber er glaubt auch darin die Ohnmacht der Vernunft, die Sehnsucht nach einfachen Erzählungen und ihren fatalen gesellschaftlichen Folgen oder eine Identitätspolitik versus eines universalistischen Humanismus erkennen zu können.