Anton Bruckner "Der fromme Revolutionär"
Wien [ENA] Klassische Musik ist etwas ganz besonderes. Eine komplexe Klangwelt, die für ein Hörerlebnis komponiert ist, die zum Geist in symphonischen Dichtungen spricht. Dabei steht nicht die Gefälligkeit an erster Stelle, sondern vielleicht der Ernst des Lebens, der als klangliches Gesamtkunstwerk in vielschichtigen funkelnden Facetten eine überwältigende Zusammenschau von lauten und leisen oder hohen und tiefen Tönen bietet.
So leitet auch ein unglaublich feierliches Misteriosi den 1. Satz von Bruckners letzter und unvollendeter Neunten Sinfonie ein, um dann im lebhaften Scherzo im 2. Satz Bewegung zu zelebrieren, die dann wieder in einem langsamen, feierlichen Adagio im 3. Satz ausklingt. 2024 feiert die Musikwelt den 200. Geburtstag von Anton Bruckner. Aus diesem Anlass widmet die Österreichische Nationalbibliothek diesem bedeutenden Komponisten die Ausstellung "Der fromme Revolutionär" im Prunksaal. Das ist auch kein Zufall, denn in seinem Testament verfügte Bruckner, dass die handschriftlichen Partituren seiner Hauptwerke in die damalige k.k. Hofbibliothek gelangen sollten, was nach seinem Tod 1896 auch geschah.
Anton Bruckners Persönlichkeit war von einer Polarität gekennzeichnet, die zum Verständnis seiner Musik sehr wichtig ist und deshalb zum leitenden Motiv der Ausstellung wird. So münden auch die großen Steigerungswellen in der Neunten Sinfonie in einem anschließenden Zerfallssprozess, der die Struktur zerreißt und wie schon Richard Wagner, damit die Emanzipation der Dissonanz und die Schwächung der Tonalität mit neuen Klangwelten einleitet. Diese neue Dimension von Klangverbindungen wurde auch später von Arnold Schönberg fortgesetzt und damit wird die extreme Ausdehnung der Form zum Vorreiter der Moderne, die ein ganz neues Lebensgefühl einfordert und dem "Ernst des Lebens" die Vielfalt musikalischer Möglichkeiten entgegensetzt.