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Münchner Medientage 2019 – Fernsehen und Bewegtbild

Verantwortlicher Autor: Gerhard Bachleitner München, 01.11.2019, 20:48 Uhr
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Das aktuelle Logo der Medientage.
Das aktuelle Logo der Medientage.  Bild: Veranstalter

München [ENA] Die 33. Münchner Medientage kämpften sich wieder durch den Mediendschungel, betrieben Medienpolitik, waren Spielwiese, Ausstellung, Immersionszone, Campus und Startup-Area in einem. Über 7000 Besucher kämpften mit und ließen sich ins (Bewegt-)Bild setzen.

Was vor 30 Jahren die Rangordnungskämpfe zwischen öffentlich-rechtlichem und kommerziellen Fernsehen und Hörfunk im Rahmen des „Dualen Systems“ gewesen waren, sind heute die Revierkämpfe zwischen linearem und nichtlinearen Fernsehen. Letzteres erscheint einerseits als nicht verhinderbarer und nicht regulierbarer Import und daher als Bedrohung, markiert andererseits aber auch eine Generationenscheide, die zwischen ‚altmodisch‘ und ‚modern‘, alt und jung scheidet.

Die nonlineare Expansion

In etlichen Diskussionsrunden wurde das Thema durchdekliniert, und es überraschte nicht, daß Vertreter des linearen Fernsehens das lineare Fernsehen für eine auf absehbare Zeit hinaus tragfähige Grundlage hielten. Gleichwohl arbeiten alle auch mit nonlinearen Ablegern und machen ihre Erfahrungen damit. Bezeichnend für die aktuelle Stimmung war der defätistische Titel einer Diskussion: „Was zieht noch im linearen Fernsehen?“ Die vertretenen Sender, NBC, Pro7, RTL2, ZDF-Neo sind freilich alle linear groß geworden und können ihre nonlinearen Zweitverwertungen entspannt betreiben.

Daniel Rosemann, Pro7, verwies anhand der Galileo-Sendung auf ein gleichsam natürliches Fließgleichgewicht: im Linear-TV wird mehr verdient, doch auf Youtube kann die Verbreitung größer sein. Ein ähnliches Fließgleichgewicht müssen die Werbetreibenden im Auge behalten: klassisches Fernsehen bringt Reichweite, Online aber Zielgruppenfokussierung. Die Kostenfrage stellt sich für ZDFneo nicht, aber auch dieser Sender ist auf einer Linear-TV-Herkunft aufgebaut, ehe er die Nonlinear-TV-Affinität seiner Zielgruppe ausspielen kann.

Auf dem TV-Gipfel, „Neuordnung – Der deutsche TV-Markt im Umbruch“, wurde, nicht zum ersten Male, einem amerikanischen Disruptor gehuldigt. Man war begierig zu erfahren, wieviel ‚Lokalkolorit‘ aus Deutschland in Amazon Prime Video Eingang finden möge. James Farrell kannte natürlich das Anerkennungsbedürfnis der Deutschen und versicherte, Amazon könne pro Jahr sechs bis zwölf Eigenproduktionen mit regionalem Bezug finanzieren. Die deutschen Produzenten verhielten sich erfreulich kooperativ, und Ehrgeiz, mit dem Linear-TV zu konkurrieren, sei von Amazon nicht zu befürchten.

Im übrigen lohne sich Lokalkolorit auch insofern, als man damit oft überraschende Erfolge auf dem internationalen Markt erzielen könne, obwohl die nationalen Fernsehmärkte aufgrund ihrer jeweiligen Tradition eigentlich ganz verschieden seien. Amazons Großzügigkeit hat wohl auch mit der Ausweitung des Marktes insgesamt zu tun, die von den übrigen Diskutanten bestätigt wurde. Sascha Schwingel, Vox, sprach von einer Aufbruchsstimmung, und tatsächlich erhält sein Sender ja gerade einen Ableger, Vox Up. Das wird zwar nur ein weiterer Abspielkanal, doch glaubte Schwingel, daß sich für produzierte Inhalte immer Abnehmer finden ließen.

. Frank Zervos, ZDF, verspürte einen ‚War for talents‘, einen Kampf um Talente, die man ja braucht, um all die benötigten Inhalte herzustellen. Um diese vermehrten Inhalte unter die Leute zu bringen, werden Aggregatoren aktiv. Ganz neu im Markt und dem Vernehmen nach schon erfolgreich ist Joyn von Pro7Sat1. Das Motto „Wir wissen, was Du willst“, stimmt allerdings bedenklich. Magenta TV der Telekom, seit einem Jahr mit VoD am Markt, meldet ebenfalls starke Zuwächse. Pantaflix positioniert sich als Hybrid aus kostenlosem Streaming, das man inzwischen AVoD nennt, und kostenpflichtigen Inhalten, SVoD.

„Das ist erst der Anfang“ heißt es auf der Plattform verheißungsvoll. In der Tat fehlt noch einiges, und die Gratis-Inhalte sind Filme, die keiner sehen will, aber etwas anderes konnte man auch kaum erwarten. Pluto TV von Viacom bietet ein ähnliches Angebot, dem die Akzeptanz der unvermeidlichen Werbung wichtig ist und das deshalb auf ‚Prerolls‘, Werbevorspänne, verzichten will, wie Olivier Jollet, Europa-Chef des Anbieters, mitteilte.

Facebook betätigt sich mit Facebook Watch ebenfalls als Bewegtbildaggregator, der sein Angebot genau auf den ihm bestens bekannten Nutzer zuschneiden kann. Die Filmdatenbank IMDb wird noch heuer mit IMDb TV nach Europa kommen, einer werbefinanzierten Streaming-Plattform, die von Amazon beliefert wird. Bisher dominieren Amazon und Netflix den Markt; Apple und Disney haben sich angekündigt. An audiovisuellen Inhalten herrscht heute also kein Mangel, und vermutlich wird irgendwo bereits an einer Metasuchmaschine für kostenlose Filme gebastelt.

Bereit sein ist alles – für den nächsten Disruptor

In der Bastelecke sehen sich die deutschen Startups wohl ungern, aber die Medientage hatten ihnen eine „R U Ready Area“ eingerichtet, was vielleicht das gleiche ist. Weil man bei den Startups bekanntlich Raketenwissenschaft betreibt, war auch das Modell einer solchen Rakete ausgestellt, und als Zeichen alteuropäischer Kultur hatte man sogar echte Bücher, auf Papier!, ausgelegt, deutsche Klassiker in Fraktur aus der Zwischenkriegszeit, also Reliquien des Gutenberg-Zeitalters.

Den Innovationsimperativ nahm man zum Glück selbst nicht so ganz ernst: „Need a break from innovating Yourself?“ Dann möge man einfach zuschauen, „how our hackers build the future of media!“ Tatsächlich war ein dreitägiges Hackathon assoziiert. Schließlich wurde auch eine neue Marke für das Medienstandortmarketing Bayerns aus der Taufe gehoben: XPLR: Media in Bavaria – soll heißen: explore, und wir vermuten, daß es genug zu erforschen geben wird.

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