
Medientage SPECIAL: Future Video 2025

München [ENA] Um die Zukunft des Bewegtbild-Marktes geht es in diesem alljährlichen Special der Münchner Medientage, also um lineares Fernsehen öffentlich-rechtlich und privatfinanziert, werbefinanziertes und kostenpflichtiges Streaming, Videoformate bei sozialen Netzwerken, Demographie, Meßmethoden etc.
Den passenden Einstieg lieferte die aktuelle Deloitte-Studie "Media Consumer Survey 2024", die hier von Sophie Pastowski vorgestellt wurde. Ihre Ergebnisse bestätigen die Einschätzungen, die realistische Beobachter schon lange haben konnten. An der Resilienz des linearen Fernsehens ist nicht zu zweifeln, auch wenn seine einstige Einzigartigkeit natürlich verschwunden ist. Den Tod des linearen Fernsehens haben ja nur immer diejenigen herbeigewünscht, die hofften, daraus Gewinn für sich ziehen zu können. Diese zusätzlich kostenpflichtigen Angebote erreichen nun sichtlich die Sättigungsgrenze, die Video-on-Demand-Abos stagnieren.
Auch bei Sportangeboten wurde Preissensibilität ausgemacht, und das gewachsene Interesse von Senioren an Mediatheken gilt ausdrücklich nur kostenlosen Angeboten. Solches Verhalten ist offensichtlich auch rational, denn mit der obligatorischen Rundfunkgebühr wird ja bereits ein sehr umfangreiches Paket an Inhalten erreichbar, das übertrumpfen zu wollen Anbieter schon sehr gute Gründe liefern müssen.
Diese Botschaft wurde freilich schon in der nächsten Diskussionsrunde, in der sich diese Anbieter präsentierten, geflissentlich überhört. Paramount, M7 (Canal+) und Sky ergingen sich in rosaroten Erwartungen über die unbegrenzte Zahlungs- und Rezeptionsbereitschaft der (potenziellen) Kunden. Gleichwohl ist an der Flexibilisierung der Tarife und der Einbeziehung von Werbung zwecks niedrigerer Preispunkte zu sehen, daß auf den Markt und die zunehmende Konkurrenz - für nächstes Jahr wird die Plattform von Warner Bros. erwartet - reagiert wird.
Ein eingebetteter, ziemlich deutscher Konflikt
Die Veranstalter nützten die Gelegenheit, zum Aufregerthema des Jahresbeginns die Kontrahenten zusammenzubringen, der einseitigen Einbettung der ARD/ZDF-Mediatheken in die Joyn-Plattform. So traten die Details dieses mittlerweile auch auf dem Klageweg verhandelten Vorgehens in ihrer Vielschichtigkeit zu Tage. Daß die ARD, hier durch Christine Strobl vertreten, seinerzeit nicht erbaut war, konnte man verstehen, verhandelten die beiden Parteien damals doch bereits über die Modalitäten einer solchen Einbettung.
Daß Pro7/Sat1 unangekündigt Fakten schaffen zu müssen meinte, ist sicherlich erklärungsbedürftig, näherhin eine Stilfrage: mußte denn unnötig Porzellan zerschlagen werden? Diesen Schuh zog sich Markus Breitenecker namens der Beklagten auch ohne Murren an und entschuldigte sich in aller Form für sein Vorgehen. Indes war dieses Vorgehen, das gewiß auch eine eigennützige Komponente enthält, keineswegs willkürlich, sondern basierte auf einem vorgängig erstellten Rechtsgutachten von Prof. Dr. Mark Cole, Wissenschaftlichen Direktors des Instituts für Europäisches Medienrecht und Professor für Medien- und Telekommunikationsrecht an der Universität Luxemburg, der es auch schlüssig erläuterte.
Hiernach soll "Embedding" nach dem Willen des Gesetzgebers künftig unter gegebenen Voraussetzungen erlaubt sein, und tatsächlich ist es auch schon Bestandteil des bereits unterschriebenen und im Herbst zur Ratifizierung erwarteten Medienstaatsvertrags der Länder. Die Rechtsgrundlage ist also bereits da, und daß ARD/ZDF am Begriff Embedding bereits herummäkeln, weil ihnen die ganze Richtung nicht paßt, kann hier keine Rolle spielen.
Weiters hatte der Österreicher Breitenecker den Präzendenzfall mit dem ORF vor Augen, mit dem tatsächlich genau jene stillschweigende Duldung des gleichartigen Vorgehens erreicht worden war. Auch ein öffentlich-rechtlicher Sender kann sich also mit solcher Weiterverbreitung einverstanden erklären. Hier offenbart sich auch ein gravierender Mentalitätsunterschied. In Österreich ist - und war man stets - zu pragmatischen Lösungen bereit und fähig, während in Deutschland immer gleich eine Prinzipienfrage daraus gemacht wird. Man ist unwillig, die Marktkonstellation realistisch einzuschätzen, und glaubt verbissen, durch Recht und Rechtsanrufung entstünde Gerechtigkeit.
Man setzt sich gegebenenfalls sogar über politische und rechtlich bindende Entscheidungen hinweg, wie gerade eben wieder, als man die Verweigerung der Gebührenerhöhung durch die auftraggebenden Länder nicht hinnehmen wollte und den Gang zum Verfassungsgericht antrat. In der ARD-Verteidigung war auch das hohe Roß zu erkennen, auf dem man nach wie vor sitzt und das hier vermutlich in einem fetischisierten "Markenwert" besteht. Man wolle auch das eigene Mediathekenumfeld und die eigene "Empfehlungslogik" gewahrt sehen, hieß es, was bei diesem Embedding jedoch nicht der Fall gewesen sei.
Hier setzt sich offenbar jene Bockigkeit fort, die erstmals L. Kirch bei der Einführung der d-box, des ersten Digitaldekoders mit "fremdem" EPG, in den 90er Jahren erleben mußte und die zu allerlei Sonderlösungen und Eigenentwicklungen, letztlich auch zu dem (marginalisierten) HbbTV führte. Daß das Youtube-Umfeld, in dem sich ARD/ZDF ja auch abbilden lassen, gewiß nicht den hauseigenen Vorstellungen entspricht, spielt wiederum keine Rolle, weil hier ganz eindeutig ist, wer das Sagen hat. Aber schon eine normale Mediathekennutzung ist weit entfernt davon, die propagierte "Empfehlungslogik" für erhaltenswert oder auch nur sinnvoll zu halten.
Tatsächlich handelt es sich hier um einen unnavigierbaren Empfehlungsdschungel, der gelegentlich sogar Züge von Indoktrination annimmt und die unverzichtbaren objektiven Ordnungskriterien Alphabet und Kalenderdatum vorsätzlich ignoriert/negiert. Über Jahre hinweg wurden die Mediatheken- und Sender-Webseiten in einen nun unbenutzbaren Zustand gebracht, der einen halbwegs rationalen Nutzer stets veranlaßt, von außen, also über die Suchmaschine, den Weg zu den Inhalten zu finden. Für den Nutzer sind die Mediatheken also immer schon in die Suchmaschine eingebettet und ihre Inhalte auch nur so auffindbar.
Alternativ gibt es auch ein empfehlenswertes Mediatheken-Programm und -Portal (Mediathekview), das unter den genannten Ordnungskriterien und ohne störende Bildstrecken die Inhalte zum Betrachten - und Herunterladen in drei verschiedenen Auflösungen - auflistet. Der aktuelle (Rechts-)Streit um die Einbettung des einen Portals in ein anderes mutet angesichts der übergeordneten Struktur von Suchmaschinen und Aggregatoren wie ein atavistischer Streit eifersüchtiger, aber geltungssüchtiger Duodezfürsten um "Datenhoheit" oder belanglose visuelle Ornamentik an.