Media meets Smart City
München [ENA] Wenn Medien über den Tellerrand hinausschauen, treffen sie auf die Wirklichkeit, in diesem Falle die Smart City, und dieser Begegnung haben Organisatoren vom Mediennetzwerk Bayern Anfang Dezember in den Munich Highlight Towers eine Konferenz gewidmet. *
Der Zusammenhang zwischen Medien und einer smarten Stadt ist zwar noch lose, aber aufgrund der Digitalisierung jederzeit intensivierbar. Auf eine verblüffende und für Manchen etwas irritierende Weise geschieht dies gerade mit dem City-Tree-Projekt, das Dr. Martin Grether und Alexander Wissnet von der Telekom vorstellten: „Drunt in der greana Au, steht a „City Tree“ schee blau“, wurde im Vortragstitel etwas holperig ein seinerzeit von Karl Valentin vorgetragenes Lied abgewandelt. Weder ist der City Tree blau, noch steht er in der Münchner Au, doch es gibt ihn, gefüllt mit grünem Moos und aufgestellt in Darmstadt.
. Was bei diesem Projekt zuerst da war, die Verpackung oder der Hauptzweck, würden die Beteiligten nicht offenlegen und muß man auch nicht unbedingt herausfinden, denn die Ambivalenz der Konstruktion bleibt in jedem Fall bestehen. Man könnte also sagen: der City Tree ist eine Bioregenerationseinheit, die zufällig einen 5G-Sender enthält, oder auch: er ist ein 5G-Sender, der zufällig auf ein Luftreinigungsmodul mit Moos montiert ist. Die beiden Telekom-Referenten stellten in Abrede, daß die ‚grüne Verpackung‘ von 5G der Hauptgrund dieses Projektes sei, doch daß die von 5G geforderte Aufstellung zusätzlicher Funkmasten keineswegs die uneingeschränkte Begeisterung der Bevölkerung hervorruft, ist kein Geheimnis.
Da kommt es gewiß sehr gelegen, daß die Firma Green City Solutions ein Stadtmöbel namens City Tree entwickelt hat und erfolgreich vermarktet, dessen Füllung mit einem bestimmten Moos bis zu 80 % Feinstaub binden kann und per Photosynthese auch Sauerstoff abgibt. Dies soll die Atemluft von bis zu 7000 Menschen reinigen. Die Telekom hat hier nicht nur einen 5G-Sender, sondern natürlich auch einen WLAN-Hotspot installiert, man bekommt USB-Ladestrom und kann sich auf einem Bildschirm Werbebotschaften anschauen.
Der perfekte ‚dual use‘, könnte man sagen; andere werden es ein Trojanisches Pferd nennen. Für deutsche Moralisten ist solche Nutzungsambivalenz schwer erträglich, und bezeichnenderweise kam aus dem Publikum auch gleich die Frage, wem man den Platz für die Aufstellung dieser City Trees wegnehmen solle. Die Zuteilungs-, Verordnungs- und Verbotsmentalität ist in der deutschen Seele offenbar tief verankert.
Utopien der Planer, Mätopien für Nutzer
Dies war auch im folgenden Vortrag von Rauno Andreas Fuchs, CEO Green City Experience GmbH unüberhörbar, der zwar über „Nachhaltige Stadtplanung mit VR“ reden sollte, aber hauptsächlich grünen Zeitgeist unter die Leute bringen wollte. Dies sah - und sieht allenthalben - so aus, daß einer vermeintlich belastenden oder unerträglichen Verkehrssituation eine vermeintlich ideale, jedenfalls idyllische Grünumgebung gegenübergestellt und für wünschenswert erklärt wird. Dies ist natürlich eine Irreführung, denn man löst ja kein Verkehrsproblem, indem Verkehrsraum vernichtet und durch eine von Müßiggängern besuchte Freizeitoase ersetzt wird. Wo der ja stets trotzdem nötige Verkehr stattfinden soll, wird nicht gesagt.
Jedenfalls erschienen die von Fuchs gezeigten Simulationen „nachhaltiger“ Stadtumbauten eher als Mätopien. In München wurden jedenfalls aus dem gleichen Ungeist bereits mehrere Plätze unwegsam gemacht und dem auf Mobilität angewiesenen Stadtbewohner als zu meidende Zonen ausgegrenzt. Viel konstruktiver war Fuchs mit seinem Hinweis auf die Mobilitätsparameter, nämlich die in einer mehrere Jahrzehnte umfassenden Statistik erfaßten Unterwegszeiten und mittleren Wegstrecken. Hieraus ergibt sich, daß sich diese Parameter nicht nennenswert geändert haben.
Es gibt also keinen wirklichen Mobilitätszuwachs, sondern „nur“ Mehrverkehr aufgrund gestiegener Bevölkerungszahl und -dichte. Dies aber ist ein Faktor, den die Städte selbst in der Hand haben. Mehrverkehr durch Verkehrsraumvernichtung bewältigen zu wollen, wird freilich für alle Beteiligten die schlechtest mögliche Lösung bringen. Daß Städte „smart“ werden wollen, ist ohnehin eine vergängliche, man könnte auch sagen: leicht abbaubare Illusion.
Sie werden ihre eigenen Verkehrsträger vernetzen wollen, um den ÖPNV weiter zu privilegieren, doch werden sie so wenig „Smart-Vorteile“ wie möglich an den als Feind betrachteten Individualverkehr weitergeben. Sie wissen, daß smart gemachter Individualverkehr - zumal künftig autonom ablaufender - flüssiger als bisher vor sich gehen wird, und dies steht dem Ziel der Verkehrsbehinderung genau entgegen.
Ausgerechnet die IT-Beauftragte für die Smart-City-App München, Franziska Meier, erwähnte beiläufig ‚intelligente Lichtmasten‘ als Teil einer Smart-City (und notabene eine schon nicht mehr ganz neue Innovation). Darunter stellt man sich nicht einmal eingebaute WLAN-Hotspots vor, sondern hauptsächlich bewegungsdetektierende Einschaltvorgänge fürs Licht. Wie es in München damit bestellt ist, konnte der Berichterstatter auf dem Heimweg vom Konferenzort, den „Munich Highlight Towers“ unweit der Auffahrt zur A 9, unfreiwillig erleben.
Der nahe gelegene, nach dem Tunnelbau neu angelegte Petuelpark schien die Route der Wahl zu sein, doch die Strecke erwies sich in der Dunkelheit als hochgefährlich. Nicht einmal jede Wegbiegung war durch eine Leuchte markiert, geschweige denn der Weg selbst beleuchtet, denn die niedrig angebrachten weißen und grünen Lämpchen waren nicht mehr als Dekoration. Leicht könnte man in einen mehrere Meter tiefen Graben abstürzen und sich das Genick brechen. Was sonst als „ungesicherte Baustelle“ streng verboten wäre, ist hier zur (lebensgefährlichen) Normalität erklärt. Was hier nötig wäre, ist offensichtlich: ein von leistungsfähigen Lampen, die den Radfahrer rechtzeitig detektieren, gut ausgeleuchteter Weg.
Man tut also gut daran, in Zukunft genau hinzuschauen, wenn mit dem Herrschaftsinstrument „Smart City“ die Strangulation individueller Bedürfnisse gerechtfertigt werden soll. Und dabei sind noch nicht einmal jene Kleinigkeiten und Nettigkeiten angesprochen, mit denen die Werbung den öffentlichen Raum smart machen wird. Alexander Fürthner, Geschäftsführer bei Jost von Brandis, und Dr. Freya Amann, beim Außenwerber Ströer für Stadtmarketing zuständig, erläuterten, wie Städte „responsiv“ werden:
Indem etwa Passanten in Nähe einer Außenwerbefläche mithilfe der GPS-Daten ihrer fahrlässig-naiv eingeschalteten Smartphones geortet und soziodemographisch zugeordnet werden. Fürthner präsentierte auch stolz jene Werbung der Lufthansa auf Bildschirmen in Fußgängerzonen, die den Passanten dazu verführen soll, stehenden Fußes mittels sofortiger Buchung nach einer minutengenau angegebenen Reisezeit von Haustür zu Haustür in ein Fernreiseziel seiner Wahl gebracht werden zu wollen. In der Tat, wenn die deutschen Städte nur noch zu Fuß aufgesucht werden können, bleibt allein die Flucht auf die Seychellen.