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Jubiläums-IFA Berlin: KI auf 2 Beinen und im Fernseher

Verantwortlicher Autor: Gerhard Bachleitner München, 18.09.2024, 15:55 Uhr
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Neura 4NE-1 Essen anrichtend
Neura 4NE-1 Essen anrichtend  Bild: Hersteller

München [ENA] Von der versprochenen KI-Revolution war wenig zu sehen. Die IFA-Next-Halle, in der sich sonst spektakuläre Zukunftsentwürfe zeigten, war nun mit allerlei mehr oder weniger nützlichem Kleinkram bestückt, auf meist winzigen Ständen. * *

Dazwischen sah man auch ein fliegendes Auto, das ein Russe für USA und Kanada baut. Um so erfreulicher war die unvermutete Begegnung mit einem mannshohen Roboter, den Neura-Robotics, eine schwäbische Tüftlerfirma aus Metzingen, baut und mit dem poetischen Namen 4NE-1 versehen hat. Auch sein schwarzglänzender Schädel und der teilweise schwarze Torso vermeiden erfolgreich jede humane, humanitäre Anmutung. Offensichtlich wird hier, getreu nach aufklärerischer Psychologie, die Künstlichkeit des Gerätes betont, um Identifikation und Empathie (und damit womöglich auch Markterfolg) von Anfang an zu verhindern.

Roboter-Menschenbilder

In Japan herrscht sichtlich genau die entgegengesetzte Vorstellung. Dort sollen die Roboter so menschenähnlich wie möglich sein und zur Identifikation oder Adoption einladen (Tamagotchi-Prinzip). Man erinnert sich Sonys Roboterhund Aibo. LG stellte nun etwa in der gleichen Größe einen Roboter für Kinder vor, mit stilisierten Augen als LED-Bildern und einer niedlichen deutschen Kinderstimme. Der Roboter wuselt im Kinderzimmer herum, animiert oder beruhigt je nach Bedarf und kann hingereichte Bücher vorlesen.

Da er hierfür natürlich auch die Topographie des Zimmers kennen, sich mit dem Kind verständigen muß und eine Cloud-Anbindung braucht, sind die Konflikte mit dem deutschen Daten- und Kinderschutz vorhersehbar. Aus der "Innovation für Alle", so das neue IFA-Motto, wird also in dem hiesigen, innovationsskeptischen oder -feindlichen Umfeld so schnell nichts werden. LG nannte demgemäß auch weder Preis noch etwaigen Einführungstermin.

Daß ein solcher KI-Begleiter der digitalen Verwahrlosung der Kinder, die ja schon mit dem Smartphone endemische und gefährliche Ausmaße angenommen hat, Vorschub leisten wird, ist unübersehbar, doch wird man sich damit trösten dürfen, daß ein solches Gerät, wenn es denn tatsächlich einmal auf den Markt kommen sollte, nur für begüterte Haushalte erschwinglich sein wird, die sich auch entsprechende psychologische Kompensationsmaßnahmen leisten können.

Der deutsche, sozusagen politisch korrekte Roboter von Neura - der dieserhalb übrigens auch keinen geschlechtlich eindeutigen Unterleib besitzt, allenfalls eine weibliche Affinität - ist keine IFA-Neuheit, kommt aus der industriellen Anwendung, soll aber im Haushalt eingesetzt werden können. Leider waren die tatsächlichen motorisch-feinmotorischen Leistungen nicht real, sondern nur im Video zu sehen.

Bildschirme und Leinwände

Die Sparte Fernsehen hatte nichts wesentlich Neues zu bieten. Daß man jetzt OLEDs in 77" und zu wahrscheinlich astronomischem Preis bauen kann, brauchte niemanden zu überraschen. 8k ist gängige Praxis jenseits der Praxistauglichkeit. Da es so gut wie kein natives Material gibt, ist man für all die vielen Details dieser Auflösung auf eine tüchtige skalierende KI angewiesen, genießt also erfundene Bilder.

Jeder Hersteller hatte auch Micro-LEDs im Programm, doch auch heuer wird damit keineswegs auf den Massenmarkt gezielt. Samsung ruft für das kleinste Modell, 77", bereits einen hohen fünfstelligen Betrag auf, und darüber wird es sechsstellig. Man wollte es aber der Selbstgenügsamkeit nicht genug sein lassen, sondern präsentierte auch noch transluzente Micro-LEDs, Glasscheiben, die ohne Ansteuerung durchsichtig sind, mit Signal aber ein Fernsehbild präsentieren.

Das sieht natürlich spektakulär aus, bleibt aber vorerst eine technologische Studie ohne Marktrelevanz. Notabene hatte Panasonic vor einigen Jahren auch schon transluzente Bildschirme gezeigt. Erfreulich bodenständig argumentierte dagegen TCL, wo man die bewährten und preiswerten LCD-Bildschirme beibehält und trotzdem hohe Bildqualität liefert. Der Kostenvergleich mit OLED spricht für sich. Eine interessante, wenngleich auch etwas elitäre Nische bedienen die Laserprojektoren. Über die Tageslichttauglichkeit ließ sich in den dunklen Kabinetten der Ausstellung nichts sagen, doch die Kurzdistanztechnik hat schon ein wesentliches Hindernis bei der Nutzung beiseite geräumt.

Um auch die nicht ganz billigen Leinwände unter die Leute zu bringen, hat man sie selbstausfahrend gemacht und will damit natürlich auch etwas Kinoatmosphäre vermitteln. Dazu paßt auch die bemerkenswerte Option, weiterhin 3-D nutzen zu können, das ja aus allen übrigen Fernsehern längst verschwunden ist. So behalten 3-D-Blurays ihren Wert. Billig sind die Geräte nicht, wenn man sie nicht gerade mit großen OLEDs vergleicht. AWOL verlangt für das kleinste Modell, das bis 150" ausleuchtet, 3000 Euro.

Die Vergangenheit der IFA ist in den entlegenen Archiven der Technikgeschichte verschwunden. Jede neue Ausgabe sollte die Errungenschaften des Vorjahres vergessen machen und zum überholten Altbestand erklären. Was gestern noch Spitzenleistung war, sollte heute eine bedauernswert zurückgebliebene Entwicklungsstufe sein. Von dieser Umwertung der Werte leben diese Industrie und der dazugehörige Handel bis heute. So bleibt nur noch die Aufmunterung des Chefs von Mediamarkt/Saturn, Dr. Wildberger, übrig: "Gear up for the next 100 years".

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