Internationale Funkausstellung Berlin, die IFA ist zurück
München [ENA] Nach zwei Jahren im Zombie-Modus fand die IFA in Berlin im September 2022 endlich wieder lebendig und lebhaft statt und versuchte, an das Jahr 2019 anzuknüpfen. Die Blessuren blieben jedoch sichtbar. * * *
Mehrere Hallen, darunter der gesamte alte Messekomplex 11/1-17, standen leer, Philips und Sony u.a. waren nicht mehr da. Daß auch weniger Besucher kämen, hatte man erwartet. Und nicht nur die Hallenbelegung hatte sich geändert, auch die Terminplanung wurde schwieriger, denn die zweitägige SHIFT-Konferenz, die (E-)Mobilität zum Gegenstand hatte, wurde in die Zeit vorgezogen, in der die traditionellen Pressekonferenzen stattfanden, und wurde so wegen Terminkollission unerreichbar. Danach ergab sich ein Veranstaltungsloch, bis am Montag der nach hinten gerückte IFA+Summit stattfand. Er wurde immerhin gestreamt.
Die IFA im Netz
Mit der virtuellen Messeteilnahme, für die man eigens das Portal IFA-virtual eingerichtet hatte, war es freilich nicht weit her, denn die Vorträge der IFA-Next, der "innovation engine" der IFA, wurden nicht gestreamt, waren auch im Nachgang nicht greifbar, und auch von denjenigen der Shift war zwei Wochen danach noch nichts zu sehen (wurden aber versprochen). Eine Stichprobe bei den "Keynotes", groß dimensionierten Firmenpräsentationen, zeigte, daß man beim Huawei-Vortrag eine Viertelstunde der Gesamtlänge von über einer Stunde mit der Ankündigungstafel des Vortrages füllte. Ansonsten stellte die Messe jedoch viel Videomaterial (auch von der SHIFT) bereit, das einen guten Überblick über Breite und Dynamik der Ausstellung vermittelte.
Das Nachhaltigkeitscredo
Die Firmen und Branchen überschlugen sich in Behauptung und Beteuerung ihrer Nachhaltigkeit. Es war, als hätte alle das schlechte Gewissen gepackt, aber im Wesentlichen war es die Verbeugung vor dem (hiesigen) Zeitgeist. Besonders auffällig in dieser Hinsicht die Inszenierung der SHIFT, die ihren automobilen Impetus hinter einem veritablen Biotop versteckte, das in der nunmehr Hub27 genannten Halle um so mehr auffiel und das man mit Elektrorollern umrunden durfte.
Daß die - deutschen - Hausgerätehersteller mit ihrem Nachhaltigkeitscredo hingegen nicht mehr besonders auffielen, liegt an ihrer langjährigen Befassung mit dem Thema, man könnte auch sagen: an der deutschen Obsession des Energiesparens. Jedes Jahr wurden die Geräte noch effizienter, nicht mehr nur Klasse A, sondern, um mit Orwells 1984 zu reden, doppelplusgut. Dumm nur, daß die Verbraucher selbst die jeweiligen Energiesparprogramme kaum nutzen, wie jetzt Miele ehrlicherweise zugab. Nur von 5 % der Haushalte würden sie bei Waschmaschinen, nur zu 25 % bei Geschirrspülern eingeschaltet. Welchen Schluß man daraus ziehen soll, ist nicht eindeutig.
Sind die Sparprogramme nicht praxisgerecht? Haben die Haushalte noch zu viel Geld übrig? Oder klaffen nicht doch die in Umfragen stets bekundete, da vom Zeitgeist geforderte ökologische Aufmerksamkeit der Bevölkerung und das tatsächliche Verhalten einfach krass auseinander? Man kann dies ja auch seit längerem bei der Automobilität beobachten, wo allen angeblichen Klimarücksichten zum Trotz rücksichtslos den SUVs der größte Marktanteil bei den Neuzulassungen zukommt.
Aus dem selben Grunde erteilte Miele auch Überlegungen zu einer Abwrackprämie für Hausgeräte eine Absage, abgesehen von der diffizilen Rechnung, ob die Neuproduktion eines Gerätes mitsamt den insgesamt bescheidenen Einsparungen immer noch einen geringeren CO2-Fußabdruck verursacht als der Weiterbetrieb des alten Gerätes. Schließlich könnte man die Rechnung auch jedem Einzelnen überlassen, ohne gleich wieder das Kollektiv in Anspruch zu nehmen und Steuergelder aufzuwenden. Im Kleingedruckten steht bei den deutschen Herstellern und ihren hochpreisigen Geräten auch immer: Man muß schon viel Geld in die Hand nehmen, um sparen zu können.
Die asiatischen Firmen konnten Nachhaltigkeit selbstverständlich ebenso gut und stellten sich ähnlich naturnah auf. Bei Panasonic, wo u.a. Brennstoffzellen, Wärmepumpen und ein Indoor Komposter für grüne Kompetenz stehen, entdeckte man, wie sich Multifunktionsnutzen mit Absatzförderung kombinieren lassen. Bei vier verwandten Körperpflegeprodukten verwendete man die selbe Antriebseinheit, so daß der Kunde jeweils nur einen Aufsatz braucht, um eine andere Funktion zu nutzen. Dies spart in der Tat Material und vermeidet Müll, setzt den Kunden allerdings dem sanften Druck aus, das nächste gewünschte Gerät dann eben auch aus diesem Multishape-Sortiment zu wählen.
Ein transatlantisches Mißverständnis
Neu trat auf der IFA ein amerikanischer Photovoltaikanbieter auf, Jackery, die weltweit meistverkaufte Marke für Solargeneratoren für den Außenbereich, wie es heißt. Das große Interesse der Journalisten und wahrscheinlich der Firmenauftritt überhaupt beruhen aber auf einem Mißverständnis. Hier wird keine Abhilfe für den hiesigen Energiemangel angeboten. Ganz im Gegenteil.
Die kalifornische Firma konfrontiert das hiesige Publikum mit dem gewaltigen Zivilisations- und Wohlstandsgefälle zwischen den USA und Deutschland. Was Jackery anbietet. ist der schiere Luxus, den individuellen Strombedarf auch noch auf Touren in die Wildnis (die es hierzulande natürlich auch nicht gibt) erfüllt zu bekommen, ist eine Ausrüstung für übermütiges Freizeitvergnügen von Leuten, die schon alles haben.
Man muß auf keine Annehmlichkeit verzichten, expandiert gewissermaßen die technisch aufgerüstete Zivilisation in die Natur, die selbstverständlich durchweg mit dem Auto aufgesucht wird. Gegrillt wird nicht etwa über offenem Feuer, sondern auf dem mitgebrachten elektrischen Kontaktgrill, und Gaskocher für das Kaffeewasser braucht der aktuelle Abenteurer auch nicht mehr. Das Heim, von dem aus man solche Exkursionen startet, kann das weitgehend energieautarke Land mit Strompreisen versorgen, die etwa ein Siebtel der deutschen betragen.
ei diesem importierten Produktangebot trifft offensichtlich Überfluß auf nackten Mangel, denn daß die Produkte Luxus sind, wird schon an den hohen Preisen deutlich, die Jackery aufruft, eine imagegetriebene Marktstrategie, wie man sie u.a. auch von Apple und Starbucks kennt. Eine kleine Balkonanlage mit zwei 200W-Panelen und einer Akkukapazität von 2,1 kWh beläuft sich auf 3600 Euro, für die doppelte Solarleistung werden 5000 Euro fällig, bei halbierter Akkukapazität 4000. Kostenloser Strom ist also ein teures Vergnügen und das Jackery-Sortiment für die deutsche, notabene selbstverschuldete Energiekrise sicher keine Lösung.
Sonst noch was?
Die klassische Unterhaltungselektronik schien diesmal ein wenig in den Hintergrund zu treten; oder vielleicht hatte man als Besucher nur weniger Lust auf den schönen Schein, denn die Elektronikmesse war ja gewissermaßen eine "Missa in tempore belli". Jedenfalls ging hier der Fortschritt nur seinen gewohnten Gang, und was man 2020 als Neuheit hatte erwarten können, reichte nun auch 2022 als Neuheit aus. Die Frage: wer hat den Größten?, wurde gleichwohl beantwortet.
Den größten OLED-Fernseher stellte LG zur Schau, 97 Zoll, aber das ist nicht mehr als ein technischer Rekord. Den Preis darf man sich in der Nähe von 30.000 Euro vorstellen. Die Micro-LED-Technik wird jedoch ebenfalls weiterentwickelt, von LG ebenso wie von Samsung, TCL und Panasonic. Lenovo und Asus zeigten Falt-Notebooks, ThinkPad X1 Fold und ZenBook OLED 17. Lenovo versucht es auch wieder mit einer "smarten" Brille, nachdem Google ein ähnliches Produkt vor Jahren aufgeben mußte.
Computermonitore werden immer noch größer und ggf. auch gekrümmt, 31 und 34 Zoll ebenfalls bei Lenovo, noch größer bei LG. An Samsungs City-Cube prangte die Losung „Do the SmartThings“. Das bezieht sich zunächst auf Samsungs Smart-Home-Plattform, meint aber auch einen lässig-technikaffinen Lebensstil. Es fällt auf der IFA noch nicht wieder leicht, den Fortschritt zu feiern, wenn der Staat Rückschritt zum politischen Programm ausgerufen hat.