IFA 2025 in Berlin: Imagine the future
München [ENA] Imagine the future. Dieses Motto der heurigen IFA in Berlin, der Internationalen Funkausstellung, ist nicht ungefährlich. Man kann sich die Zukunft ja vorstellen - aber sie dann auch dort lassen wollen. Oder vielleicht kommt sie ja gar nicht. *
Eine realistische Umformulierung könnte lauten: stell Dir vor, irgendwo ist Zukunft und keiner (von uns) geht hin. In Europa jedenfalls und ganz besonders hierzulande fällt die Zukunft traditionell immer ein wenig kleiner aus, wie auch die Weltmarktanalyse von Dr. Sara Warneke (gfu) in der Eröffnungspressekonferenz vor Augen führte. Die Wachstumsmärkte liegen weiterhin anderswo. Aber auch beim Innovationspotenzial darf man etwas genauer hinschauen. Disruption ist im Deutschen nach wie vor ein Fremdwort.
Bei AEG war die Attraktion der Pressekonferenz nichts Ungewöhnlicheres als ein Pizzabäcker aus Italien, der von Hand eine Pizza herstellte und vom AEG-Herd in zweieinhalb Minuten gebacken bekam. Das hätte man jetzt beim Firmenmotto "Challenge the expected - Für alle, die mehr erwarten" eher nicht erwartet. Es ist sicher ein Zufall, daß LG bei seinen Hausgeräten in die gleiche Kerbe haut: "More than You expect".
Miele hielt sich zu Gute, 'nach draußen' zu gehen und praktisch eine ganze Küchenzeile um den Monstergrill Fire Pro IQ herum auf die Terrasse zu stellen. Dieser Luxus ist so teuer, daß man ihn visuell realistisch gleich vor der standesgemäßen Villa inszeniert hat und "Dreams" nennt. Man könnte auch sagen: es ist der SUV unter den Grills. * *
Wundersamerweise gibt es bei Miele jetzt auch die Technik, das Überlaufen von kochendem Wasser oder Anbrennen des Spiegeleis zu verhindern, "M Sense" - aber nur mit proprietärem, gewiß teurem Geschirr, das die nötigen Temperatursensoren enthält. Dabei wurde uns doch seit Erfindung der Automatikkochplatte in den 80er Jahren und all den Automatisierungsschüben danach fortwährend die Verhinderung genau solcher Malheurs versprochen.
Seit einigen Jahren ist das Dampfgaren Mode - nachdem schon vor fast einem Jahrhundert, 1927, der erste Dampfkochtopf auf den Markt kam. Nun, vielleicht um günstiger anbieten zu können, vielleicht um auf die vielen Einpersonenhaushalte zu reagieren, schrumpft man den Garer zur Dampfgarschublade, 14 cm hoch, so daß sie mitsamt einem 45cm-Gerät in eine 60cm-Aussparung paßt. Auf diese gewiß praktische, aber naheliegende Neuheit sind Siemens-Bosch und Miele gleichermaßen stolz, die sie erklärtermaßen unabhängig von einander entwickelt haben. Das mag sogar zutreffen, zeigt aber dann auch, daß sie allesamt nur mit Wasser kochen…
Die übrige Entwicklung kennt man auch schon länger. Der Backofen erkennt nun per KI schon hundert Gerichte und entlastet so das überforderte Gehirn des Möchtegern-Kochs. Bei Bosch hält man sich etwas auf einen Rezept-Konverter zu Gute (AI Recipe Converter), der allgemein zugängliche Kochrezepte in die für die Maschinensteuerung der Bosch-Geräte nötige Form bringt, also der "Better Food App" zugänglich macht. Bosch bringt auch den Küchenalltag in eine neue Form. Er wird im "Powerhouse" zu einer "daily challenge", die man ohne "helping friends" (Haushaltsgeräte) nicht bewältigt. Erst damit und dann darf man auf seinen "peace of mind" hoffen.
Man wundert sich nachträglich, wie man bisher seine Mahlzeiten ohne "Nutri-Check" zu bereiten und zu essen vermochte, und wie Kinder in der Wiege ohne Vitalwertüberwachung aufwachsen konnten. Technisch innovativ ist bei Bosch hingegen gewiß das Engagement für Wasserstoff, zum einen in Form eines Wasserstoff-Rennwagen für die 24 Stunden von Le Mans, zum anderen mit einem Pilotprojekt für einen Wasserstoffgasherd in Schottland, wo gewiß eine liberalere Energiepolitik als hierzulande betrieben wird.
Die Kühlkombinationen werden immer noch etwas größer, bis zum vierflügeligen Hausaltar, und haben noch mehr unterschiedliche Kühlzonen. Bei den Kühlschränken ist die Differenzierung in Kältezonen vermutlich ein Fortschritt, denn es kann beispielsweise bedeuten, daß man bei 0 Grad konservieren kann, ohne die starke Metamorphose zur Tiefkühlkost unternehmen zu müssen. Waschmaschinen bewältigen nun bis zu 11 kg. Überall wird Nachhaltigkeit beschworen.
Ob man Haiers Motto "Naturally connected" mit "naturverbunden" übersetzen darf, ist freilich die Frage. Vermutlich geht es eher um die Vernetzung der Geräte untereinander und selbstverständlich mit der "Cloud" - als ob die Datenfreigabe 'natürlich' wäre. Haier propagiert für die Untermarke Candy auch "Multi-Wash", eine Waschmaschine mit drei unterschiedlich großen Trommeln, sozusagen für die kleine Wäsche zwischendurch. Ob sich das energetisch wirklich bezahlt macht, da man doch auch bisher schon mit halber Beladung waschen konnte, sei dahingestellt.
Auf die Spitze getrieben hat man die Haushaltsvernetzung bei LG, wo man den Alltag erklärtermaßen "orchestrieren" will und im Imagefilm ein großes Orchester aufbietet. LG AI Appliances Orchestra heißt das Konzept und ist im Stande, "die perfekte Harmonie Ihres Lebens zu komponieren". Die Gerätschaften "erschaffen täglich ein Leben in wunderbarem Einklang mit Ihnen". Dafür gab man der Abkürzung AI auch eine neue Bedeutung "Affectionate Intelligence" - for You. Das belebt ein im Deutschen zuletzt im Barock übliches Wort wieder, als sich ein Mann vom Stand "wohlaffektioniert" gegenüber einem Gesprächspartner oder Bittsteller darstellen mochte.
Samsung baute außerhalb des Citycubes gleich ein ganzes Smart Modular Home auf, einen Wohncontainer oder Fertighaus als einen mit KI angereicherten Wohnraum. Auch dort geht der Bewohner "seamless" eine Symbiose mit der installierten Überwachungs- und Regelungstechnik ein. Eine 3-D-Darstellung auf dem Bildschirm verhilft ihm zum Überblick über die Infrastruktur. Einfach nur wohnen, wie früher - das gehört jetzt wohl der Vergangenheit an.
Außerhalb der Küche warten Teppichpflege, Fensterputzen und Rasenmähen auf einschlägige "helping friends". Die Staubsaugerroboter kommen jetzt besser mit Hochflorteppichen zurecht, haben eine gute Hinderniserkennung, Eckenkompetenz, Selbstreinigung in einer großen Dockingstation und gehen nötigenfalls auch mit Wasser und Wischmop an die Arbeit. Im Garten geht der Rasenschnitt ganz ähnlich vor sich, und der Gartenbesitzer wundert sich, daß erst jetzt der Allradantrieb eingeführt wird - von Roborock -, der doch bei unebenem Gelände der Antrieb der Wahl sein müßte.
Roboter als Haushaltshilfe werden zwar weiterhin beworben, sind aber, je universeller, desto teurer. Neura stellte seine Modelle wieder aus, die wir im Vorjahr besprochen haben, und suggeriert, der ehrfurchtgebietende und durch die schwarze Frontscheibe undurchdringlich-unnahbar wirkende Android sei für Wäschesortieren nicht überbezahlt. Diese Illusion kann schon der Blick auf die Webseite des Unternehmens kurieren, in der selbstverständlich die gewerblichen Anwendungen dominieren.
Die Asiaten treten aufgrund ihrer anderen Kultur hingegen unerschrocken an den Menschen heran, bauen nicht nur möglichst menschenähnliche Androiden, sondern lassen sie auch auf kleine Kinder los. TCL etwa betreibt mit seinem AI-Me die frühe KI-Sozialisation im Vorschulalter. Weit hergeholt ist das allerdings nicht, denn auch früher schon haben Mädchen einen Puppenwagen geschenkt bekommen und sich um ein imaginäres, künstliches Wesen gekümmert. Jetzt wird die Puppe eben etwas intelligenter.




















































