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IFA 2018 - Der Haushalt als elektronische Spielwiese

Verantwortlicher Autor: Gerhard Bachleitner München, 26.09.2018, 20:54 Uhr
Kommentar: +++ Internet und Technik +++ Bericht 7675x gelesen
Haushaltsgeräte müssen zum Haushalt passen. Dekorativ: Kühlschranktüren bei Bosch
Haushaltsgeräte müssen zum Haushalt passen. Dekorativ: Kühlschranktüren bei Bosch  Bild: G. Bachleitner

München [ENA] Was die Hausgeräteindustrie in diesem Jahr auf der IFA zeigte, schien über Detailverbesserungen nicht hinauszugehen, was bei ausentwickelten Geräten ja auch kein Nachteil wäre. Das hinderte die Werbetexter aber nicht an propagandistischen Höhenflügen.

Bei den Herden hat man nun die Anzahl der Sensoren soweit erhöht, auf 56, daß Töpfe beliebig auf der Kochfläche plaziert werden können. Es ist das gleiche Vorgehen wie bei den LCD-Fernsehern, deren Hintergrundbeleuchtung mit LEDs mittlerweile ebenfalls vollflächig geworden ist. Je billiger die Bauteile werden, desto mehr kann man davon einsetzen. Siemens nennt den Vollflächeninduktionsherd "freeinduction plus", spricht von "Kochen mit Glücksbringer-Technologie", und eine Fachzeitschrift titelte demzufolge "freeinduction plus macht glücklich". Daß Kochen heutzutage überhaupt "vernetztes Kochen" sein muß, wäre freilich erst noch zu beweisen.

Der Fortschritt und der Teufel stecken im Detail

Siemens bietet auch den ersten Vollwaschtrockner mit Vernetzung an, bei dem sich freilich die 10kg-Beladung relativiert. Bekanntermaßen kann ein Trockner stets weniger Beladung aufnehmen, in diesem Falle 6 kg, so daß ein vollautomatischer Waschtrocknungsgang entsprechend eingeschränkt ist. Bei Bosch wurde ein solcher Waschtrockner als "World Premiere" angekündigt, "Die Vollautomatik-Waschmaschine, die auch trocknen kann". Der Rezensent wundert sich nicht wenig, da er seit mehreren Jahrzehnten ein solches Modell (eines anderen Herstellers) zuhause hat. Wenn Selbstverständlichkeiten zu Weltneuheiten hochstilisiert werden müssen, weiß man, daß es sonst nicht viel zu verkünden gibt.

Sehr beliebt ist bei den Herstellern der Weißen Ware auch der Kurzschluß von Küchengeräten, also Lebensmittel verarbeitenden Maschinen, zur Gesundheit. "Simply healthy" heißt die Devise bei Bosch, und das klingt, als könne man Gesundheit einkaufen. Ein gesunder Lebensstil läßt sich allemal bewerben. Der italienische Küchenchef Massimo Bottura, der eine Edel-Kollektion von Küchengeräten für Grundig designt hat, glaubt, daß dies dazu hilft, "Food for soul" zu bereiten. Bei Grundig gab man immerhin freimütig zu, daß Produkte heute eine emotionale Aufladung mit Lebensstilattributen bräuchten, weil über Technik allein keine hinreichende Differenzierung mehr möglich sei.

Die Aufladung macht nirgends halt. Bei AEG behauptet man, das Staubsaugen neu erfunden zu haben. Und siehe da, der Akkustaubsauger arbeitet mit einem "Ultra-HD-Lithium-Power-Akku". Das wohlwollendste, was man dazu sagen könnte, wäre: da macht sich der Produktmanager oder der Marketingchef über die Kunden lustig. Nur weil Ultra-HD das aktuelle Fernsehformat ist, muß man es auch noch dem Staubsauger andichten. Daß Ecovacs seinem Saugroboter KI andichtet, nur weil er den Zimmergrundriß ökonomisch und gewissermaßen selbstlernend abfährt, paßt genau ins Bild.

Miele stellte zwei Neuheiten vor. Ein Geschirrspüler komme nicht ohne eine Dosierautomatik aus, fand man in Bielefeld, verwendete aber nicht die bei Waschmaschinen bereits seit Jahren eingeführte Vorrichtung, sondern konstruierte eine in die Tür einsetzbare Scheibe und nannte sie Power-Disk. Sie hat natürlich nichts mit Power zu tun, sondern gibt rotierend lediglich das Reinigungspulver ab, je nach Verschmutzungsgrad des Geschirrs, versteht sich.

Der Haken dabei ist aber, daß die Powerdisk nicht nachfüllbar ist, sondern nach 20 Spülungen neu gekauft werden muß; der 6er-Pack kostet 49 Euro. Als Begründung nannte man, daß nur das selbst entwickelte Pulver mit besonderen Enzymen, Aktivsauerstoff, Silber- und Glasschutz sowie Klarspül- und Salzfunktion das optimale Reinigungsergebnis garantiere. Dies könnte man aber auch den Markt durch freien Verkauf neben den anderen Reinigungsmitteln entscheiden lassen.

Statt dessen wird der Markt durch das proprietäre Verfahren absichtlich draußen gehalten, der Verbraucher mit Monopolpreisen konfrontiert und nachwachsende Nachfrage erzeugt. Der unnötige Materialverbrauch für die Disk ist überdies alles andere als nachhaltig. Die Maschine hat zwar auch ein Fach für konventionelles Spülmittel, aber den vermeintlichen Fortschritt bezahlen zu sollen, ihn aber in der Praxis sinnvollerweise zu ignorieren, ist auch nicht gerade logisch.

Und welcher Nutzen soll dabei erreicht werden, wenn einige Körnchen mehr oder weniger an das Wasser abgegeben werden? Selbst wenn es einen Minderverbrauch an Reinigungspulver gäbe, wäre er durch die genannten Kosten mehrfach überbezahlt, ganz abgesehen davon, daß bereits herkömmlich durch die Vermeidung von Tabs zugunsten von Pulver 50 % der Kosten gespart werden können. Daß der Miele Geschirrspüler eine "bislang ungekannte Freiheit beim Geschirrspülen" biete, wie in der Presse kommentiert wurde, ist offenkundig eine Verdrehung der Tatsachen. In Wahrheit verlangt er eine bislang ungekannte Bindung an und Unterwerfung unter den Hersteller.

Bei Waschmaschinen setzt sich Miele "Für konsequent umweltfreundliches Waschen" ein und bietet: PowerWash 2.0, SingleWash und TwinDos. Single-Wash ermöglicht es, kleinste Mengen bis hin zum Einzelstück sparsam und schnell zu waschen. Das bedeutet in der Praxis, daß dann öfter gewaschen wird, und weil auch eine Teilbeladung nicht so effizient wie ein voller Waschgang sein wird, läuft es eben doch auf Mehrverbrauch hinaus. Anders gesagt: durch diese Funktion wird ein Lebensstil unterstützt, der nichts von Disposition und Disziplin wissen will und gerade nicht nachhaltig ist.

Bezeichnend ist auch die Wendung, die es mit dem von Miele im Vorjahr vorgestellten Dialoggarer genommen hat. Da man aufgrund des Preises von knapp 7000 Euro ohnehin eine Luxusklientel anspricht, glaubt man, das exotische Gerät mit einer Dienstleistung hinterlegen zu sollen. Diese Klientel hat selbstverständlich auch das Geld für Edelgastronomie, und so beauftragt man entsprechend geschulte Köche, Menüs bereitzustellen, die per Kurier ausgeliefert und im Dialoggarer des Bestellers erhitzt werden.

In der Logistik beschreitet man Neuland, weil auf Porzellan angerichtet wird und die Transportboxen nach dem Mahl wieder abgeholt werden. Daß aber neue Transportwege nötig gemacht werden, nur weil die Besitzer des Luxusofens nicht zur Zubereitung willens oder in der Lage sind, kann man nur bedauern. Bewußt ausgeschlagen wurde offenbar auch die andere denkbare Variante: wenn schon transportiert werden muß, könnte man das edelgastronomische Angebot aus dem Dialoggarer des Kochs ja auch an die liefern, die sich selbst gerade keinen Dialoggarer leisten können.

Wie smart soll das Home sein?

Smart-Home-Propagandisten unterstellen stets Komfort und Bedienungserleichterung mit der neuen digitalen Infrastruktur und unterschlagen die Verluste, die eine Delegation von Lebensvollzügen mit sich bringt. Samsungs Verheißung "You can control" soll Überlegenheit signalisieren, statuiert aber auch eine Verpflichtung. Man muß in der Küche immer mehr fernsteuern oder zeitsteuern, obwohl man doch ohnehin in der Küche tätig ist, und zur Koordination und Kompilation der verschiedenen Steuerungsvorgänge braucht es dann wieder eigene Automatiken, die u.a. in sog. Szenarien zusammengefaßt werden.

Man wird in seinem eigenen Haushalt zum Besucher und Bewohner vorab festgelegter Szenarien und zum Wiederholer seiner selbst. Je nach Blickwinkel mag das als goldener Käfig oder als Gefängnis wirken. Die dienende Rolle der Technik wird trickreich überspielt. Als Argument für das 'intelligente', d.h. vernetzte Heim gilt nun: "Stay connected with family". Küche und Wohnung müssen also vernetzt sein, damit man überhaupt noch Kontakt zum Rest seiner Familie hat.

Natürlich wird auch bei Samsung mit KI gekocht, und die individuellen Eßgewohnheiten werden mit dem Kühlschrankinhalt verrechnet. Der Gesundheitsdiktatur steht also nichts mehr im Wege. Bei Philips denkt man in die gleiche Richtung. Anläßlich eines Mixers für Smoothies ist von "nutritional coaching" die Rede, die Zahnpflege wird derart professionalisiert, daß man auch gleich ein Zahnfoto zu seinem "Teledentisten" schicken kann, und überhaupt wird das gesamte Gesundheitswesen durch Digitalisierung auf ein neues Niveau gehoben, "transforming health".

Slogans und andere sprachliche Entgleisungen

Samsung stellt eine harte kognitive Dissonanz in den Raum: "Do what You can't". Das liefe bestenfalls auf "Nichts ist unmöglich" hinaus. Fürs Erste wären wir aber schon zufrieden, wenn das, was technisch versprochen wird, auch funktioniert und lange und ohne Privatsphärenverletzung funktioniert. Ohne Eigenleistung, um nicht zu sagen: gelinden Zwang, geht es dabei aber nicht: "Open Your mind to innovation". Für das Neue soll man offen sein und das Alte wegwerfen wollen. Miele scheint den gleichen Werbetexter beschäftigt zu haben "Let's do what nobody has done before".

Freenet TV verkündet als Ziel, "den Zugang zu Fernsehprogrammen in HD-Qualität zu vereinfachen." Diese Verdrehung der Tatsachen sollte man nicht hinnehmen. Der Zugang zu HD-Programmen ist per se einfach, wenn er nicht durch Zugangshürden, in diesem Falle Kassenhäuschen, Codekarten, Anmeldungen etc. erschwert wird, und genau dies ist ja der Zweck von Freenet. Etwas einfacheres als freie Empfangbarkeit (ohne Freenet) gibt es nachweislich nicht.

Sharp fordert: "Be original". Soll man echt sein, oder originell? TCL “The creative life”. Natürlich, kreativ sind wir irgendwie alle, nicht wahr? Changchong verspricht gleich ein "Easy, smart, wonderful life". Das ist doch konsensfähig. Grundig will als Heimat gesehen werden: "Where Home is". Sony will "Getting closer to people". Noch näher als In-ear-Kopfhörer? Oder will man doch mal wieder die Kundenwünsche näher anschauen?

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