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IFA 100 Jahre - Weiße Ware als Grüne Ware

Verantwortlicher Autor: Gerhard Bachleitner München, 18.09.2024, 15:33 Uhr
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Willkommen bei der IFA
Willkommen bei der IFA  Bild: G. Bachleitner

München [ENA] Auch in der Jubiläums-IFA, die es nun seit hundert Jahren gibt, macht die Weiße Ware, große und kleine Hausgeräte, einen wichtigen Bestandteil aus und bietet mit vielen Kochshows beliebte Attraktionen. * * *

Hausgerätehersteller sehen ihre Aufgabe zum einen in der Reduktion der Verbrauchswerte, zum andern in der Bewältigung der selbstverschuldeten Bedienkomplexität. Letzteres hat Siemens schon vor Jahren mit dem netten Kunstwort simplexity beschrieben. War wohl etwas zu subtil formuliert, um populär zu werden. Jetzt wurde das selbe Anliegen ohne diesen Begriff erneut und wieder als Neuheit vorgetragen.

Wie eine Kurzschlußreaktion der PR-Abteilung mutete der Auftritt eines weiblichen Avatars an, der, augenscheinlich ziemlich billig animiert und schlecht angezogen, die Rolle eines Komoderators spielen sollte. Es ist kaum anzunehmen, daß das Publikum den vorformulierten Versicherungen eines virtuellen Wesens zur Qualität der vorgestellten Produkte eher glauben sollte, als dem menschlichen Firmenvertreter.

Automatisierung mit langer Tradition

Daß die seit Jahrzehnten betriebene Automatisierung der Betriebsabläufe der Hausgeräte nun zwanghaft das Etikett KI erhält, braucht man nicht als Innovation mißzuverstehen, ebenso wenig wie bisher schon Vernetzung im "Smart Home" als Selbstzweck Erfolg gehabt hätte. Wenn der Fortschritt u.a. darin besteht, daß der Herd nunmehr schon 80 Gerichte erkennt, also zubereiten kann, während der Koch sie offenbar nicht mehr kennt, treibt dies die Dequalifikation des Menschen im eigenen Hause voran, wie bisher schon die mobilen Navigationsgeräte sein Orientierungsvermögen im Raum großenteils zu Grunde gerichtet haben. Zur biometrischen Gesichtserkennung gesellt sich jetzt die Gerichtserkennung.

Der nächste Schritt der KI wird gewiß der sein, daß die KI dem Menschen mit einem prüfenden Blick auf seine Verfassung und Stimmung das eine oder andere Gericht zu kochen abschlagen wird, weil es nicht gut für seine Gesundheit, zu kalorienreich oder nicht ökologisch korrekt ist. Die berüchtigte Szene in "2001", als der Astronaut bei der Rückkehr zur Kapsel vom klugen Computer HAL wegen Unbotmäßigkeit nicht mehr eingelassen wird und vor der Türe krepiert, könnte sich demnächst vor der Kühlschranktür wiederholen. Wie alt die Automatisierung der Küche in Wirklichkeit schon ist, kann man am Film Tatis herrliche Zeiten (1967) und im deutschen Film "Die Ente klingelt um halbacht" von 1968 ablesen.

Die unfehlbare Selbststeuerung des Bratens, die damals mit einfacher Schaltuhr realisiert wurde und heute eine Nachricht auf dem Telefon sein soll, zieht dort gravierende soziale Verwerfungen nach sich. Heute wird die Ernährung mit riesigem funktechnischen und softwaretechnischen Aufwand als "Seamless food journey" (Wortlaut Samsung) von der Idee - oder vielmehr dem Vorschlag des Systems - über den durchdigitalisierten Einkauf bis zum personalisierten Rezept und Kochvorgang auf Grundlage diätetischer Vorgaben oder Einschränkungen inszeniert.

Der Dauerbrenner (oder Dauerkrepierer?) "Smart Home" wurde selbstverständlich auch heuer als vermeintlich unvermeidliche Zukunft präsentiert. Daß hier eine Lösung nach Problemen sucht, ist schon verschiedentlich bemerkt worden, aber von einer Lösung kann man auch erst seit einigen Jahren sprechen, als sich die Branche nach den üblichen Grabenkämpfen zur Metanorm "Matter" verständigte.

Diese integriert zwar die existierenden proprietären Normen, aber erstens nicht vollständig und zweitens auch erst für die Zukunft. Die Gerätepopulation ist also naturgemäß sehr dünn und wächst auch nur langsam. Bosch stellte ganze drei Geräte dafür vor. Und der Markenegoismus wird durch Matter keineswegs gebremst, im Gegenteil. Haier stellte beispielsweise als neues "Ökosystem" die Plattform hOn vor, selbstverständlich als "Ihre App für ein intelligentes und nachhaltiges Zuhause".

Nachhaltigkeit im schlauen Haus

Nachhaltigkeit ist allenthalben Pflicht. Bei der nun zum Hisense-Konzern gehörenden Hausgeräte-Firma Gorenje ist man "Closer to nature" mit "Green Touch Appliances", und bei der zum selben Konzern gehörenden Firma Asko stellte man die imposanten Waschmaschine-Trockner-Türme in einen dekorativen Wald mit echten Bäumen und digitalem Vogelgezwitscher. Soll das heißen: Naturverbundenes Waschen für den Wald? Wenn sich das anscheinend nach reinem, "grünen" Gewissen lechzende Publikum mit solchen Illusionen beeindrucken läßt, hat es sie auch nicht besser verdient.

Gewiß gibt es auch vernünftige Umsetzungen des Nachhaltigkeitsprinzips. LG ist auf die originelle Idee gekommen, die langen weißen Vorhänge des letztjährigen IFA-Auftritts zu Taschen zu schneidern, die als Werbegeschenk dienten. Bei Miele erprobt man die Akzeptanz von Gebrauchtersatzteilen mit Garantie und einen Gebrauchtgerätemarkt in eigener Regie. Das klingt allerdings noch zu zaghaft und soll ja auch das Neugerätegeschäft nicht beeinträchtigen. Bezeichnenderweise wurde nun erstmals ein modular aufgebauter und insofern vollständig zerlegbarer Staubsauger nur als Studie vorgestellt, unter dem neudeutschen Produktionsprinzip "cradle-to-cradle".

Offensichtlich entging den Miele-Chefs die subtile Ironie, daß vor 50 Jahren alle Geräte so reparaturfreundlich konstruiert waren, bis die Hersteller anfingen, Reparaturen durch spezielle Fertigungsverfahren zu erschweren, dem teuren Vertragskundendienst vorzubehalten oder ganz unmöglich zu machen. Nun muß die EU-Reparaturrichtlinie versuchen, die gröbsten Mißstände einzudämmen und wieder kundenfreundliche Produkte zu erzwingen.

Verkauft wird das schlaue Haus, oder "Smart Things", wie Samsung zu sagen pflegt, allen Ernstes als Ermächtigung, neudeutsch "empowerment", obwohl eigentlich Entmündigung gemeint ist. Für "Intelligently manage Your Home" wird ein eigener Fernseher abgestellt, auf dem eine 3-D-Darstellung dieses Heims die Orientierung erleichtert. Mit einer Zielgruppe, die sich bisher mit der Navigation im weitläufigen Areal des eigenen Zuhauses schwergetan hat, braucht man offenbar ebenfalls kein Mitleid zu haben.

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