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100 Jahre keine Einsamkeit - Eine Funkausstellung feiert

Verantwortlicher Autor: Gerhard Bachleitner München, 18.09.2024, 15:08 Uhr
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Die neuen Farben der IFA
Die neuen Farben der IFA  Bild: Veranstalter

München [ENA] 100 Jahre gibt es sie schon, die Internationale Funkausstellung, kurz IFA genannt, und sie wollte sich heuer in Berlin nicht nur dafür feiern, sondern auch um eine Neuausrichtung bemühen. Mit den Äußerlichkeiten, dem Logo, den Farben, der Zielgruppenansprache, tat man sich nicht schwer.

Der Zeitgeist macht die entsprechenden Vorgaben, und daß sich die Anglizismen ungebremst weiter ausbreiten, versteht sich. Schwerer zu beantworten ist die Frage nach der thematischen Ausrichtung, die heute nicht mehr so klar wie früher ist. Sicherlich auch deshalb hat man die überlieferte und seit Jahren ungeliebte Zweckbestimmung "Internationale Funkausstellung" für IFA nun endlich beiseite gewischt. Dem Zeitgeist sind sinntragende und zweckmäßige Abkürzungen ohnehin suspekt, und diese war obendrein nicht orthographisch passend übersetzbar. Jetzt soll es also "Innovation für Alle" heißen, was im Englischen die gleichen Abkürzungsbuchstaben liefert. Und die thematische Ausrichtung bleibt gewünscht vage.

Über viele Jahrzehnte hinweg wurde mit der Ausstellung nach und nach der Funkraum erobert, zuerst mit langen und dann immer kürzer werdenden Wellen, zuerst mit Audio, dann mit Bewegtbild, schließlich mit Daten. Am Werke waren verschiedene Bauteile, Detektor, Röhre, Transistor, Schaltkreise, Digitaltechnik. So kam man mit der traditionellen Unterhaltungselektronik ins neue Jahrtausend, mußte aber bald wegen deren Schrumpfung die Weiße Ware ins Programm nehmen, ein zunächst einmal nicht sehr unterhaltsames Gewerbe. Weder Kochen, noch Waschen, Spülen oder Staubsaugen sind erbauliche Tätigkeiten.

So lernten die Besucher allmählich die Fortschrittsrhetorik der Hausgerätehersteller, die ihr Gewerbe und ihre Geräte emotional oder gar magisch aufzuladen versuchen. Um das Jahrhundert der IFA-Geschichte anschaulich zu machen, war im Palais eine kleine Ausstellung aufgebaut. Sie war aber nicht nur lächerlich klein, sondern auch schlampig und lieblos gemacht, ließ jede Systematik vermissen und nahm vor allem keinen Bezug auf die Messegeschichte. Es standen eben nur ein paar historische Geräte da, die man zufällig hatte ausleihen können. Im öffentlichen Diskurs schnurrte die IFA-Geschichte auf die beiden Prominenten-Auftritte Einstein 1930 und W. Brandt 1967 zusammen.

Von all den anderen Einführungsereignissen, Formatkämpfen und der Industriepolitik, die hier gemacht wurde, erfuhr man nichts. Daß die Jubiläums-IFA unter dem Hauptthema KI gestanden hätte, wie eilfertig behauptet wurde, ist freilich eine Täuschung. KI kann man nicht ausstellen, es sei denn, in Gestalt von Robotern, und davon gab es erstaunlich wenig zu sehen. Daß KI in mehr oder weniger substanzieller Form allmählich in lange bekannte Geräte einwandert, heißt noch nicht, daß KI auch ein Thema wäre.

Immerhin hat sich das Handelsblatt bereitgefunden, am vorletzten Messetag eine Konferenz zu diesem Thema abzuhalten. Das war ein zaghafter Versuch, an die Begleitkongresse anzuknüpfen, die vor Jahrzehnten meist zweitägig stattfanden und vor ein paar Jahren mit dem inzwischen eingestellten Automobilkongreß Shift Mobility einen letzten Ausläufer fanden. *

Erfolg bei Ausstellern und Publikum

Daß die Jubiläums-IFA einen Teil der Ausstellung nach Mitte ausgelagert hatte, ansonsten gut gebucht war und über 200.000 Besucher zählte, können sich die Veranstalter, die nun doch wieder mehr als letztes Jahr mit einheimischem Personal tätig waren, als schönen Erfolg zu Gute halten. Als Ordermesse fürs Weihnachtsgeschäft und als Heimat der sonst heimatlosen Weißen Ware wird die IFA zweifellos unverzichtbar bleiben. Gleichwohl darf man die Relationen im Blick behalten. Eine Veranstaltung wie der Dürkheimer Wurstmarkt versammelt 600.000 Besucher und findet zum 608. Male statt.

Der Popularitätsunterschied könnte auch an den vergleichsweise hohen und immer noch steigenden intellektuellen Anforderungen der IFA liegen. Ein Großteil der asiatischen oder überhaupt der ausländischen Aussteller liefert nur noch Erklärungswände und Beschreibungen auf Englisch, und in der fremden Sprache oft sehr spezielle technische Neuerungen erklärt zu bekommen, ist keine Kleinigkeit. Was etwa könnte ein "Fresh Air Explorer Residential Central AC System" sein, "Fresh-water Roller Mopping for Spotless Perfection" oder ein "Indoor Hybrid"? Und warum braucht es eine "scenario-driven future of Tech" (Hisense)?

LG sortiert die Nutzer soziologisch recht anspruchsvoll nach "Second Youth Home", "Smart Green Home", "Affectionate Home" und "Delightful Home". Merke: wohnen allein is nich - ohne Selbstdefinition hat man heute keine Chance mehr. Der Wissensdurst von Nerds wird vemutlich mit dem Bekenntnis zu einer "Laser Lift Off manufacturing technology" gestillt, mit der laut Samsung angeblich die Massenproduktion von Micro-LEDs möglich sein soll (die wir aber nicht gesehen haben). Die herkömmliche Logik wird offenkundig malträtiert, wenn ein Unternehmen von sich behauptet: "We stand for the full-throttle, 110% experience in everything".

Sonderbar ist eigentlich auch, wenn ein Bildschirm- und Projektorhersteller sein Produkt "Beyond Screen, Beyond Sound" ansiedelt; worauf blickt und was hört man dann? Da läßt sich der IFA-Chef Leif Lindner nicht lumpen und sieht die IFA "Beyond a traditional trade show". Das ist ebenfalls praktisch, denn wenn man schon jenseits einer Trade Show ist, braucht man erst gar keine Trade Show mehr zu sein. *

Das ist ebenfalls praktisch, denn wenn man schon jenseits einer Trade Show ist, braucht man erst gar keine Trade Show mehr zu sein. Daß die IFA den Besucher auffordert "Prepare for the unexpected" und "shape the future with us", könnte auch Anlaß zu sarkastischen Kommentaren geben, etwa dahingehend, daß das Unerwartete erwartungsgemäß sehr dünn gesät ist und daß die Messe eher den Zweck verfolgt, den Konsumenten nach den Wünschen der Hersteller zu formen, um nicht zu sagen: zu formatieren.

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