Dienstag, 19.03.2024 11:36 Uhr

Angeschlagenes Ausbildungssystem in Deutschland?

Verantwortlicher Autor: Herbert Reis Aachen, 28.02.2022, 19:06 Uhr
Kommentar: +++ Special interest +++ Bericht 11988x gelesen

Aachen [ENA] Facharbeitermangel, schlechte und zu wenig Schulabgänger, was ist nur los mit dem Ausbildungssystem in Deutschland? Diese Frage beschäftigt mich schon seit ein paar Jahren. Ich habe festgestellt, dass die Bewerber für eine Berufsausbildung nicht nur in Qualität (Anforderungen für den Ausbildungsberuf) sondern auch an Quantität in den letzten Jahren stark rückläufig sind.

Auf der einen Seite jammern Industrie- und Handwerksbetriebe über mangelnden Nachwuchs, auf der anderen Seite beklagt sich das ganze Land über den Facharbeitermangel. Was sind die Gründe? Liegt das wirklich nur am demografischen Wandel? Es wird immer schwerer geeignete Schulabgänger für eine Ausbildung zu motivieren. Ein Grund ist sicherlich die Programmierung der Schüler durch ihre Eltern und von der Schule. In den Köpfen der Schüler wird von ihren Eltern ("meinem Kind soll es ja mal besser gehen") und von den Schulen die Suggestion eingepflanzt, dass man das Abitur mit anschließendem Studium anstreben soll.

Das mag ein Grund sein, aber alles der Reihe nach. Befassen wir uns als Erstes mit dem Thema „Lernen“, und erst einmal mit dem schulischen Lernen im deutschen Schulsystem. Ich sage manchmal: heutige Lehrkräfte haben es unglaublich schwer. Sie sind für Kinder früherer Zeiten ausgebildet worden, die es so heute überhaupt nicht mehr gibt. Sie sitzen „zwischen allen Stühlen“, zwischen ihrem eigenen Älterwerden bis hin zu Burn-out-Syndrom, höchst unterschiedlichen Erwartungen der Schüler, der Eltern, der Ausbildungsbetriebe, der Hochschulen, grausamen Sparmaßnahmen etc. Dann kommt immer wieder noch der „PISA-Schock“ hinzu, der ja auch nicht positiv zu bewerten ist.

Heutige Lehrer kommen mir vor wie Schiffbrüchige, die auf einem Floß in tosender See versuchen, am Beispiel einer Apfelsinenkiste, die sich zufällig auch noch auf ihrem Floß befindet, um sie herumschwimmenden Delphinen beizubringen, wie ein Computer funktioniert. Ich möchte es noch etwas anders formulieren: „Heutige Lehrer haben die Aufgabe, eine Wandergruppe, bestehend aus Spitzensportlern und Schwerstbehinderten, bei Nebel durch unwegsames Gelände in nord-südlicher und ost-westlicher Richtung zugleich zu führen und zwar so, dass alle bei bester Laune und möglichst gleichzeitig an drei verschiedenen Zielorten von ihren Eltern, Betrieben oder Hochschullehrern in Empfang genommen werden können.“

Das ist unsere Ausgangslage. Wir hatten ja nun fast 30 internationale und nationale Schüler- und Schulleistungsvergleichsstudien in den letzten 20 Jahren, z.B.: IGLU, TIMMS, PISA, DESI oder DELFI. Die Ergebnisse sind in etwa immer gleich: Da ist Deutschland im Wesentlichen immer im unteren Mittelfeld platziert, außer bei einer einzigen Ausnahme, bei der internationalen Grundschul-Leseuntersuchung (EQUAL-Studie) stand Deutschland im oberen Drittel, nämlich auf Platz 11 von 35. Warum das gute Abschneiden der Viertklässler? Ja, weil die Lehrer und Lehrerinnen oftmals Fächer unterrichten, die sie gar nicht studiert haben.

Das mag schockierend klingen aber wir haben in Deutschland zu 100 % Lehrer, die im Wesentlichen für 2 Fächer ausgebildet wurden, also ein sehr starkes Fachlehrerprinzip. Und 100 % der deutschen Lehramtsstudenten werden derzeit im Wesentlichen für 2 Fächer ausgebildet. Das sollte nicht so sein, denn z.B.: Kanada war vor vielen Jahren immer sehr schlecht „in Sachen Schule“. Die Lehrerinnen dort sind zwar laut PISA-Anhang die am besten gekleideten der Welt (die Deutschen die am schlechtesten gekleideten), das betrifft aber vor allem die Männer. Kanada hat weltweit im Schnitt die ältesten Lehrer, Deutschland nur die Zweitältesten.

Die kanadischen Lehrer bekommen ein Drittel weniger Lohn als die deutschen und in den Sommerferien drei Monate sogar gar kein Gehalt. Die Lehrerbildung findet auf der Grundlage eines mittleren Bildungsabschlusses statt, also etwa so wie bei uns der Realschulabschluss. Da haben die Lehrer irgendwann bemerkt (weil es dort seit 30 Jahren dieses Ranking bzgl. der Qualität der Schulen in den Provinzen gibt): wir sind viel zu schlecht ausgebildet, um guten Unterricht geben zu können! Wir (die Lehrer) müssen dafür sorgen, dass die Schüler selbst lernen. Und dann haben sie dieses Konzept „teachers as learners“ entwickelt, was in etwas beinhaltet: niemand kann junge Menschen zum Lernen bewegen, wenn er nicht selber mit Lernen befasst ist.

Sie beschlossen u.a. in der Provinz Durham (Vorortgebiet von Toronto): Lehrer dürfen nicht mehr die Fächer unterrichten, die sie studiert haben. Nicht irgendein Fach, schon eines, wozu sie Lust haben und keineswegs Fächer, die sie gar nicht mögen. Damit wurden Erfolge bzgl. des Abschneidens in den oben erwähnten Rankings erzielt. Das ist schwer zu verstehen. Kommen wir mal auf Deutschland und PISA. Wenn Sie diese internationalen Studien nehmen, dann sind sie immer „irgendwie falsch“ und mal steht im Vorwort, „dass 10% Fehlerquote möglich ist“ (also kein Unterschied zwischen Platz 1 und 20).

Dann kann man natürlich auch nicht so ein (nach EU-Richtlinien) unbesiedeltes Land wie Finnland mit einheitlichen Lebensverhältnissen, einheitlichen Familieneinkommen, ohne Ausländer (außer 16% Schweden), mit langen dunklen Wintern mit so einem multikulturellen Einwanderungsland in Zentraleuropa vergleichen. Und man kann auch nicht ein Land, in dem es im Wesentlichen ein Fernsehprogramm gibt, allerdings mit Untertiteln (Synchronisation ist zu teuer für so ein kleines Land) mit einem Land vergleichen, in dem es neben Netflix und Amazon Prime noch über 30 Fernsehprogramme gibt, die auch noch fast alle synchronisiert sind.

Die Kinder haben in dem einen Land vom 3. Lebensjahr an meist englischsprachige Spielfilme gesehen, und bekommen dadurch ein gutes fremdsprachliches Gefühl. Wenn sie dann mit 15 Jahren „vermessen“ werden, dann mussten sie eben 12 Jahre immer ganz schnell die TV-Untertitel mitlesen. Dass sie das dann mit 15 Jahren können ist ja auch gar kein Wunder. In Deutschland muss man kaum was mitlesen. Deutlich wird dieses Problem immer an dem Beispiel Luxemburg. Luxemburg hat sehr gute Schulen: nur 13 Schüler pro Klasse, jede Klasse hat 2 Räume. Ein Raum hat unterrichtsmäßiges Gestühl, der andere hat einen Teppich, Apple-Computer und ganz viel Materialien.

Die Lehrer werden deutlich besser bezahlt als die deutschen Lehrer. Und Luxemburg steht auf Platz 30! Da kann etwas nicht stimmen. Es lag an Folgendem: die luxemburgischen 15-Jährigen waren die einzigen auf der Welt, die die Fragebögen nicht in ihrer Muttersprache bekamen. Sie konnten zwischen deutschsprachigen oder französischsprachigen wählen und das machte schon den kleinen Unterschied zwischen Platz 1 und Platz 30 aus. Einige Punkte waren verantwortlich für das negative Abschneiden Deutschlands bei den Schulstudien.

Dieses wussten wir allerdings schon früher, dafür hätten wir diese Studien eigentlich nicht gebraucht. 1. Bei 15-Jährigen haben wir weltweit in 40 Ländern (außer Deutschland) etwa so ein Leistungsverteilungsbild: Die meisten Jugendlichen befinden sich in der Leistungsmitte und es gibt wenige, die nach oben als besonders gut herausfallen und einige mehr, die nach unten als schwach herausfallen.

Sie wissen, bei all diesen Studien gibt es immer Aufgaben auf drei Niveaus. Man will wissen, wie viel Prozent der Schüler erreichen nicht mal das untere oder gerade eben dieses Niveau und wie viel Prozent der Schüler erreichen das oberste Anspruchsniveau. Nur in Deutschland gab es ein anderes (Verteilungs-) Bild, also ein „tropfenförmiges Gebilde“, was wir sonst in keinem anderen Land der Welt haben. Linear betrachtet ist zwischen dem schwächsten und besten Schüler natürlich die Leistungsbandbreite in jedem Land der Welt gleich. Da alle Völker, zumindest in Europa, genetisch gesehen, gleichartig zur Welt kommen. Dann haben wir außerordentlich viele schwache Schüler und besonders wenig herausragende Schüler. Warum ?

Zusammengefasst kann man schon mal sagen, wie uns das die Lernpsychologen und Hirnforscher sagen: Deutschland hat eine Besonderheit in seinem Schulwesen, die es sonst nirgendwo auf der Welt gibt (außer noch so ein bisschen in Österreich und in einigen Kantonen in der Schweiz). Wir haben eine extrem kurze Grundschule, nämlich nur 4 Jahre. Alle anderen Länder der Welt haben acht-, neun-, zehn- oder zwölfjährige Grundschulen. Solche Grundschulen haben wir in Deutschland auch, die Waldorfschulen. Was ich damit sagen will ist, wir leisten uns einen unglaublichen Luxus in unserem Wirtschaftsstandort Deutschland.

Wir koppeln die schwachen und schwierigen Schüler zu früh, nämlich oft schon mit 10 oder 11 Jahren von den mitreißenden Effekten der guten Schüler ab und lassen sie ab dann, z.B. in der Haupt- oder Realschule, „im eigenen Saft schmoren“. Was sollen sie denn da voneinander Positives lernen? 2. Die zweite Besonderheit konnten Sie auch den Medien entnehmen. Nur in Deutschland, in keinem anderen Land der Welt sonst, gibt es eine außerordentlich enge Kopplung zwischen Familienerziehung und Leistungsfähigkeit von 15-Jährigen. Diese Kopplung ist größer als die Verbindung zwischen IQ und Leistung.

In allen anderen Ländern der Welt ist die Kopplung zwischen Intelligenz und Leistung etwas größer als die Kopplung zwischen Familienerziehung und Leistung. Das liegt an der zweiten deutschen Besonderheit, die es sonst auf der ganzen Welt nicht gibt (außer noch so ein bisschen in Österreich und in einigen Kantonen der Schweiz): Wir haben in Deutschland im Kern Halbtagsschulen. Das gibt es sonst wirklich nirgendwo. Und Halbtagsschule heißt (und jetzt kommen die Biorhythmiker ins Spiel): Wir reduzieren im Jahr 2019 das Lernen der jungen Menschen in der Schule auf 2 Stunden.

Alle anderen Länder haben vier Stunden vorgesehen, also die doppelte Zeit. Wenn Sie sagen: Wie kann den das sein? Ich bleibe doch immer bis 13.30 Uhr in der Schule. Nein, die Biorhythmiker sagen uns, dass Kinder bis etwa zum 13. Lebensjahr zweimal am Tag besonders gut lernen können. Morgens zwischen 8.00 und 10.00 Uhr und nachmittags von 14.00 bis 16.00 Uhr. Sie wissen, dass wir diese zweite Haupt-, Hochleistungslernphase eines Tages, wo man besonders gut dem zufälligen Lernen im multimedial vernetzen Kinderzimmer, in der Fußgängerzone, in der Clique oder im Mediamarkt in der Computerabteilung überlassen.

Jugendliche von 14 Jahren aufwärts können auch zweimal am Tag gut lernen: morgens zwischen 10.00 und 12.00 Uhr und nachmittags zwischen 14.30 und 16.30 Uhr. Diese zweite Phase nutzen wir in den Halbtagsschulen gar nicht. Ich habe gehört, es soll in Deutschland noch Schulen geben, da müssen die über 14-Jährigen um 8.00 Uhr erscheinen. Es gibt sogar noch einige Schulen, da müssen die über 14-Jährigen um 7.00 Uhr oder um 7.10 Uhr erscheinen. Kanada hat dies schon lange abgeschafft, weil Kanada genau weiß: der liebe Gott hat dafür gesorgt, dass Jugendliche vor allem voneinander lernen wollen, und nicht von der vor ihnen liegenden Generation. Und der liebe Gott hat dafür gesorgt, dass Kinder und Erwachsene ein ähnliches Schlafbedürfnis haben.

Die möchten nämlich beide früh ins Bett, am nächsten Tag früh aufstehen. Jugendliche aber wollten schon immer, nämlich vor 10.000 Jahren schon, abends spät ins Bett und am nächsten Tag lange schlafen. Das hat einen biologischen Sinn. Sie brauchen ein paar Stunden am Tag, an denen sie sich miteinander auf dem Weg in ihre späteren Partnerschaften erproben können, ohne dass Kinder und Erwachsene dabei sind. Sie können ja auch nicht morgens um 7.00 Uhr frühstücken. Das geht nicht, das wäre so, als würde ich morgens um 4.00 Uhr frühstücken.

3. Die dritte Besonderheit der deutschen Schulen ist auch gemeinhin bekannt. Sie kennen doch diesen Spiegel-Leitartikel: „Schlaue Mädchen, dumme Jungen“. Ein rein deutsches Problem! In Deutschland können die Jungen in den Schulen nicht mehr mit den Mädchen Schritt halten und wenn wir da nicht was ändern, wird die Zukunft weiblich sein. (Eine Bundeskanzlerin haben wir schon und Fußballweltmeister sind auch die Damen geworden). Und nun ist ja für uns interessant: Was ist denn mit den deutschen Schulen los? In Finnland und Schweden können Sie bei 15-Jährigen keine geschlechtsspezifischen Unterschiede im Leistungsverhalten erkennen.

In Deutschland haben die Jungen nur noch an einer ganz kleinen Stelle des Schulsystems einen ganz kleinen Vorsprung: Am Beginn der Klasse 5 des Gymnasiums sitzen ein bis zwei Jungen mehr als Mädchen, was ausschließlich daran liegt, dass es in Deutschland immer noch ein paar Eltern gibt, die meinen, für ein Mädchen würde auch ein Realschulabschluss reichen. Dieser Vorsprung ist ganz schnell verbraucht und am Ende ist die deutsche Situation heute so: Bereits 54% der Abiturienten sind Mädchen, nur noch 46% sind Jungen. Das ist eine Differenz von 8%.

Es kommt noch schlimmer, die Mädchen machen zurzeit bundesweit fast eine ganze Note besser Abiturdurchschnitt (0,8 besser als die Jungen). Zwei Drittel der deutschen „Sitzenbleiber“ sind Jungen, zwei Drittel der Rückläufer vom Gymnasium zur Realschule und von der Realschule zur Hauptschule sind Jungen. Von den 11,8%, die es bundesweit von einem Jahrgang nicht mal bis zum Hauptschulabschluss schaffen, sind über 72% Jungen. Und an den wenigen deutschen Schulen für Verhaltensgestörte, Erziehungsschwierige, sind fast 95% Jungen.

Da muss also irgendwas nach der Geburt passieren, damit wir dieses Bild haben. Sämtliche neuen Bundesländer, einschließlich Berlin und das liegt an Ostberlin, (Westberlin allein würde auf Platz 3 stehen) haben einen auffällig geringen Jungenanteil. Obwohl doch die Schulen so gut sind. Warum stehen alle neuen Bundesländer diesen Fakt betreffend unten im Ranking? Das hat etwas mit dem Lernen zu tun. 74% der Lehrkräfte in den neuen Bundesländern sind in der damaligen DDR ausgebildet worden und passend zu dem damaligen System. Also etwas „böse“ gesagt: Belehrung des Untertanen in einem Obrigkeitsstaat. Das war auch schon bei der katholischen Kirche im Mittelalter so, das war in Preußen so und das war im Kaiserreich so.

Ich will Ihnen also Folgendes sagen: Wenn Sie Kinder belehren, dann kommen die Mädchen zur Not damit etwas besser zurecht als die Jungen. Den Grund dafür sagen uns die Hirnforscher. Wir wissen erst seit wenigen Jahren, was beim Lernen im Kopf eines Kindes passiert und zwar physiologisch und neuroelektronisch. Seitdem wir das wissen, wissen wir, dass die Schule es genau „anders herum“ macht, als das kindliche Hirn gebaut ist. Ich fange mal mit ein paar Überschriften an, die Sie alle in entsprechenden Wissenschaftsseiten deutscher Zeitungen haben finden können und die alle aus der Hirnforschung kommen:

Frauen hören besser zu als Männer; Warum die Frauen das bessere Gedächtnis haben; Männer nutzen beim Zuhören nur eine Gehirnhälfte; Im Rahmen eines Gesprächs setzt eine Frau immer komplett beide Hirnhälften, der Mann aber nur den linken Hirnlappen ein; Deutsche Frauen sprechen täglich im Schnitt 11.000 Wörter mehr als Männer; Dazu gehört auch diese aktuelle Meldung: Wenn Deutsche eine WhatsApp verschicken, benutzen Frauen im Durchschnitt 85 Zeichen, Männer aber nur 35. Hier sind noch zwei Beispiele: die typische WhatsApp eines Mannes heißt: Fußball um fünf. Die typische WhatsApp einer Frau heißt: Hi Schatz, wie geht’s Dir, pass auf Dich auf und viele liebe Grüße und Küsse, Deine Simone.

Kleine Jungs zwischen vier und fünf Jahren heulen eher, länger, lauter und öfter als kleine Mädchen zwischen vier und fünf. Und sollten Sie selbst zu Hause Kinder beiderlei Geschlechts haben, wussten Sie schon immer, kleine Mädchen zwischen vier und fünf sind körperlich und intellektuell den gleichaltrigen Jungen ein halbes Jahr voraus, aber emotional ein ganzes Jahr. Und zum Schluss, auch aus der Hirnforschung: Sinnesentwicklung. Wenn Menschen lachen, dann neigen Frauen zum Kichern und Männer zum Grunzen. Was hat das mit Hirnforschung zu tun? Da muss man sich nun überlegen, was das eigentlich beides ist. Grunzen ist eigentlich lachen wollen und das gerade noch so eben wieder zurückhalten, während Kichern ganz was anderes ist.

Das ist: Einem aktuellen Gefühl, völlig ohne Rücksicht auf die Umwelt, freien Lauf lassen. Alle Menschen haben eine linke und eine rechte Hirnhälfte. Die ist sogar bei beiden Geschlechtern gleich. In der linken Hirnhälfte sitzt bei jedem Menschen Folgendes, das verstandesmäßige, das Logische, das Vernünftige, das Rationale, das Zahlenverständnis, das Raumvorstellungsvermögen, die Orientierung im Gelände, die technischen Anteile von Sprache (Wortschatz und Grammatik) und auch die Fremdsprachenkompetenz. I

In der rechten Hirnhälfte sitzt bei jedem Menschen das Emotionale, das Musische, das Kreative, das Kommunikative, das Soziale und das Atmosphärische. Nun gab es schon immer einen kleinen Hirn-Unterschied zwischen Jungen und Mädchen, also auch schon vor 10.000 Jahren. Schon immer hatten die Mädchen zwischen der linken und rechten Hirnhälfte eine ziemlich breite Brücke. In Wirklichkeit ist es ein Neuronen-Synapsen-Geflecht, Cortex genannt, das etwas dicker ist als eine Stricknadel. An derselben Stelle haben die Jungen auch eine Brücke, die etwas dünner als die der Mädchen. Es ist ein Größenunterschied von 4,5 zu 1.

Und nun kommt das, was ich Ihnen sagen will. Wenn Sie ein Mädchen zu Hause „linkshändig“ erziehen, „linkshändig“ erziehen heißt: Moralpredigt, Anordnungen ohne Begründung, z.B.: Die 17-Jährige möchte in die Disko und der Vater sagt: „Du bist aber um 23 00 Uhr wieder zu Hause!“; dann fragt sie zurück: „Warum denn so früh, Papa? Da öffnet die Disko gerade erst“; und wenn er dann sagt: „Weil ich dir das gesagt habe“. Und wird dieses Mädchen dann zusätzlich in der Schule belehrt …

Also, wenn Sie ein Mädchen „linkshändig“ erziehen und beschulen, dann kommt das alles zunächst in der linken Hirnhälfte an. Aber über eine ziemlich breite „Brücke“ kommt eine ganze Menge von dem, was links ankommt, indirekt auch nach rechts, so dass die rechte Hirnhälfte mit dem Emotionalen, Musischen, Kreativen, Kommunikativen, Sozialen und Atmosphärischen ein Stück weit mit entwickelt wird. So dass Mädchen im Falle von Frust eine leicht erhöhte Chance haben, in sich einen Ausgleich zu finden. Wenn sie diesen Ausgleich nicht hinbekommen, neigen sie dazu, mit der Störung auch eher in sich zu bleiben.

Wir nennen das Autoaggression, typische, rein statistisch häufige Phänomene bei Mädchen sind eben Bulimie, Magersucht, Depressionen, Tablettensucht und Selbstverletzungen. Wenn Sie einen Jungen nur „linkshändig“ erziehen und beschulen, kommt das in seiner linken Hirnhälfte an und bleibt da. Über die schwache Brücke kommt kaum etwas nach rechts, so dass die rechte Hirnhälfte unterentwickelt bleibt und der Junge im Falle von Frust auch keinen Ausgleich finden kann.

Er muss es raus lassen, das nennen wir Aggressionen. Das erklärt z.B. das Geschlechterverhältnis 9:1 (Jungen : Mädchen) in den Jugendkriminalitätsstatistiken. Erschwerend kommt mit hinzu, deutsche Mütter sprechen mit ihren Töchtern, im Bundesdurchschnitt, etwa doppelt so viel wie mit ihren Söhnen. Das heißt, die Mädchen haben eine erhöhte Chance der direkten kommunikativen Mitentwicklung der rechten Hirnhälfte von außen, zumal die Väter das Gegenteil tun. Die Väter geben im Schnitt ihren Töchtern mehr Nähe, Emotionalität und Köperkontakt als ihren Söhnen, weil sie im Hinterkopf diese soldatisch-preußischen Askeseideale haben: ein Junge muss stark sein, muss tapfer sein, muss cool sein, darf nicht weinen.

Dann geht es noch weiter: kleine Mädchen haben eine erhöhte Chance, im Haushalt früh herausgefordert zu werden, müssen in der Küche mithelfen, auf kleine Geschwister und junge Hunde aufpassen. Den Jungen bleibt das eher erspart. Wenn kleine Mädchen spielen, dann spielen sie eher kommunikativ, z.B. wenn sie mit ihren Puppen oder Kuscheltieren sprechen. Der kleine Junge, der mit seinem Auto da brrrum macht, der hat noch nicht so viel Kommunikation. Die OECD-PISA-Kommission in Paris unter Andreas Schleicher wirft den deutschen Schulen ja drei schwerwiegende Dinge vor:

1. Sie seien im Wesentlichen Belehrungsschulen, was konkret heißt, die Schüler sollen vor allem durch Zuhören lernen. 2. Die deutschen Schulen würden eine falsche Fehlerkultur betreiben. 3. Die deutschen Schulen hätten eine übertriebene Beschämungskultur mit solchen Elementen wie Fünfen, Sechsen, Sitzenlassen, Kursabstieg oder Abschlussverweigerung oder Schulverweis. Und dann kommt am Schluss noch etwas ziemlich Erschreckendes hinzu, was wir so in den mediterranen und skandinavischen Ländern nicht haben. Wir nennen das hier in Deutschland Feminisierung der Pädagogik.

Wenn wir feststellen, dass es immer öfter vorkommt, dass ein kleiner Junge nur mit einer Mutter, vielleicht noch mit einer Schwester, vielleicht noch mit einer Oma drei Straßen weiter aufwächst. Dann hat er eine Erzieherin im Kindergarten und nacheinander vier Klassenlehrerinnen und wir nehmen mal an, die haben das alle optimal gemacht. Aber das nützt dem kleinen Jungen nicht alles. Auf der Suche nach seiner Geschlechtsrolle ist er dann gezwungen, sich Männlichkeit da abzuholen, wo sie überhaupt noch vorkommt, z.B. bei seinen Bildschirmhelden oder bei der Jugendbande in der Nachbarschaft.

Ergänzt mit der Tatsache, dass Männer in den Bereichen Emotionalität und Körperkontakt gegenüber Kindern (v.a. Jungen) immer mehr zurückziehen, aus der berechtigten Sorge heraus, das könnte falsch verstanden werden. Im harmlosen Fall als weich, feminin oder schwul, im mittelschweren als pädophil, im schlimmsten als konkretes Sexualdelikt. Wenn dann die Finnen so schön sagen, eine gute Schule erkennt man nicht daran, dass die Lehrer Fragen stellen können, sondern daran, dass die Schüler das können.

Wenn die Schweden sagen, die wichtigsten Lehrer für Kinder sind die anderen Kinder, die zweitwichtigsten Lehrer sind tatsächlich die Lehrkräfte, die drittwichtigsten Lehrer sind die Räume mit dem Interieur (also Architektur und Ausstattung) und der viertwichtigste Lehrer ist die Rhythmisierung. Die Lernpsychologen und Hirnforscher sagen uns, ganz wichtig für Lernen ist der Rhythmus, also der Wechsel von Anspannung und Entspannung. Was ist eine „gute Schule“? Das können wir sehr genau sagen.

1. Eine gute Schule erkennt man daran, dass die rechte Hirnhälfte von außen genauso angesprochen wird wie die linke. 2. Wir haben in Deutschland 45.000 Schulen. Davon sind erst 5000 „in der Zukunft angekommen“. Diese 5000 werden uns bei PISA 5 und 6 deutlich nach oben reißen, so dass wir einen der oberen Plätze erreichen werden. „Gute Schule“ ist zunächst einmal leicht definiert: eine Schule ist dann gut, wenn die 15-Jährigen hervorragende Leistungen bei den Tests erreichen. Aber nun kann man natürlich fragen, woran liegt das? Und wenn Sie feststellen, dass von den 5000 Schulen, die „in der Zukunft angekommen“ sind, 2500 Privatschulen sind. (Man beachte: wir haben nur 3500 Privatschulen in Deutschland.)

Allerdings haben wir auch unter den restlichen 41.000 staatlichen Schulen auch 2500 hervorragende, „in der Zukunft angekommene“ Schulen. Was ist eine gute Schule? Wir können erstens fragen, welche waren das in den letzten Jahren? Es war vor acht Jahren die Bielefelder Laborschule als beste deutsche Schule, (jeweils vermessen bei PISA E). Vor drei Jahren war das die Helene-Lange-Gesamtschule in Wiesbaden. Vor zwei Jahren war das die Katholische Grund- und Hauptschule mit Werkrealschule St. Martin in Friedrichshafen in Baden-Württemberg am Bodensee. Vor einem Jahr war das die Montessori-Gesamtschule in Potsdam.

Alle diese Schulen haben etwas gemeinsam, nämlich 1. Eine starke Schulleiterpersönlichkeit. Ohne geht es nicht. So wie Anja Riegel an der Helene-Lange-Schule in Wiesbaden, so wie Alfred Wilms an der Bodensee-Schule in Friedrichshafen oder wie Ursula Kegler, die jetzige Leiterin der Montessori-Schule in Potsdam. 2. Einen Konsens im Lehrerkollegium. Die Chance dafür ist größer bei den Privatschulen, weil die ihr Personal selbst anstellen. Bei den staatlichen Schulen ist es oft noch so, dass eine entfernt sitzende Regierungszentrale das Personal zusammenstellt und dann geht es eventuell nicht so gut. Wir haben in NRW zum Teil sehr große Schulen, da erkennen Sie die Fraktionierung des Lehrerkollegiums schon im Lehrerzimmer.

In der Ecke da hinten sitzen verbeamtete Lehrer einer CDU-Gruppe oder einer SPD-Gruppe, da sitzt eine Angestelltengruppe, die sind aktiv in der Lehrergewerkschaft, da sitzt eine Gruppe, die sind aktiv im Deutschen Philologenverband, in der Mitte sitzt eine Gruppe, die gehören nirgendwo zu und die sprechen alle nicht miteinander. Wenn die Schule aber selbst ihr Personal einstellt, ist die Chance, dass ein Konsens besteht, größer. 3. Dass es eine sehr enge Kooperation zwischen Lehrerschaft und Elternschaft gibt.

4. Eine gute Schule hat einen Schwerpunkt. Einen Schwerpunkt als musische, als technische, als sportliche, als altsprachliche, als neusprachliche, als mathematische oder sonst wie… bis hin zum Legastheniker-Gymnasium in Sachsen-Anhalt, dem Skisprung-Gymnasium in Oberhof, dem Fußballgymnasium von Borussia Dortmund oder der Grundschule Kappeln an der Schlei im Norden Schleswig-Holsteins, die sich auf Schülermangel spezialisiert hat, auf Linkshänder und Legastheniker etc. Es ist ganz egal, was sie machen bis hin zur Hochbegabtenschule wie St. Afra in Meißen. Dann haben Sie natürlich automatisch Konsens sowohl bei den Lehrkräften als auch bei den Schülern.

5. Eine erkennbar deutliche gute Schule hat immer eine herunter gespielte Bedeutung der Note. 6. Eine erkennbar gute Schule hat immer eine leicht erhöhte Integration. Die gibt es auf mehrfache Weise: entweder dauert die Grundschule etwas länger wie an den Waldorfschulen oder sie arbeiten jahrgangsübergreifend wie das jetzt flächendeckend Nordrhein-Westfalen macht, aber auch ganz oft Sachsen-Anhalt und Brandenburg. Oder bis zu 30% Migrantenkinder erhöhen deutlich übergeordnet den Anteil der Lerneffekte. Wenn Sie jedoch über 30% haben, kippt das sehr schnell, wie ein Gewässer, um und Sie haben eine einzige Katastrophe.

7. Alle guten Schulen der letzten fünf Jahre sind immer auch Ganztagsschulen. Eine Halbtagsschule kann weder für die Lehrer noch für die Schüler Lebensmittelpunkt sein und eine Halbtagsschule kann nie und nimmer hinkriegen, was 250 Jahre lang geklappt hat: nämlich die Arbeitsteilung. Die Familie erzieht und die Schule bildet. Heute kommen 60 % der deutschen Kinder nicht mehr hinlänglich erzogen in die Schule. Wenn die Schule nicht einen breiteren erzieherischen Rahmen bietet, dann funktioniert auch ihr Bildungsauftrag nicht mehr.

Wir bilden jetzt zum Wintersemester zum ersten Mal in NRW andere Lehrer aus. 60% (wie bisher) als Fachlehrer und 40% beginnen ein grundständiges Klassenlehrerstudium, d.h. sie machen eine Fachwissenschaft wie bisher und Pädagogik wie bisher. Die zweite Fachwissenschaft wird ersetzt aus einem Bündel von Bewegungserziehung, Ernährungskunde, Hirnforschung, Lernpsychologie, diagnostischen und therapeutischen Kompetenzen gegenüber Hyperaktiven, Hochbegabten, Dyskalkulikern und Legasthenikern, welche in 30% sämtlicher Fälle überhaupt nicht erkannt werden. 30% der 350.000 hochbegabten Schüler in Deutschland mit einem IQ von über 130 werden gar nicht erkannt und umgekehrt 30% der für hochbegabt erklärten Schüler sind überhaupt nicht hochbegabt.

Das ist ein Mangel an diagnostischen und therapeutischen Kompetenzen und dazu gehört es dann auch, dass künftige Lehrer etwas verstehen sollen von Gewalt- und Suchtprävention und von zugehender Pädagogik; d.h., Schule wird auch langfristig im Wesentlichen eine Bildungseinrichtung bleiben. Aber in dem Maße, wie sie das ist, brauchen wir auch Lehrer, die in der Lage sind, außerschulisch den Eltern bei der Erziehung zu helfen, d.h. wir bringen unseren Lehrerstudenten bei: wie macht man einen Hausbesuch, wie richtet man einen Elternstammtisch mit Erziehungsthemen ein und wie macht die Schule parent reps. Wie kriegen wir eine frühere Vernetzung zwischen Familie und Schule und eine frühere Vernetzung zwischen Arbeitswelt und Schule hin?

Alle weltweit guten Schulen beginnen in Klasse 4 und nicht, wie oft in Deutschland, in Klasse 9 mit dem, was in der den neuen Bundesländern mal so schön hieß „Unterrichtstag in der Produktion“. Also einmal im Jahr einen Tag, obwohl man erst 10 Jahre alt ist ist, beim Schlachter, beim Frisör, beim Bäcker, im Edeka-Laden, an der Tankstelle, beim Zahntechniker oder sonst wie „mitlaufen“. Die Kinder kommen sofort am nächsten Tag höflicher zurück, weil sie gesehen haben, wie man mit Kunden umzugehen hat. Ich sage es noch mal anders. Was ist eine gute oder eine nicht so gute Schule? Jetzt kommen die Hirnforscher und sagen uns:

Stellen Sie sich mal vor, es gibt in Deutschland noch Schulen. da müssen Grundschüler beim Lernen noch auf einem Stuhl sitzen. Können Sie sich so was vorstellen? Es gibt reichlich weltweite Untersuchungen, die belegen: Kinder bis etwa 11 Jahre lernen doppelt so viel, wenn sie beim Lernen auf dem Teppich sitzen oder liegen, als wenn sie auf einem Stuhl sitzen. Allerdings, bei Jugendlichen von 14 aufwärts ist es genau umgekehrt. Sie lernen etwa doppelt so viel, wenn sie beim Lernen auf einem Stuhl sitzen. I

Ich nenne Ihnen mal ein ganz berühmtes Beispiel. 350.000 Schüler in Deutschland haben ADHS, Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitäts-Syndrom, kurz Hyperaktive genannt. Die ADHS-Kinder sind im Schnitt überdurchschnittlich begabt, deshalb gibt es eine starke Überschneidungszone zu den Hochbegabten. Ein großer Teil der Hochbegabten ist auch hyperaktiv und der größte Teil der ADHS-Kinder ist überdurchschnittlich begabt. ADHS-Kinder haben eine Besonderheit im Hirnstoffwechsel. Es mangelt ihnen an Neurotransmittern, die man mit Ritalin nachreichen kann. Es stellt den Körper ruhig und der Geist bleibt wach.

Das Problem der ADHS-Kinder ist: sie nehmen zu viel wahr. Und nun stellen Sie sich mal vor: Karl-Heinz ist 9 Jahre alt, hat ADHS und sitzt in der 3. Klasse einer Grundschule und muss dort 45 Minuten auf einem Stuhl sitzen. Was passiert? Er kann sich mit 20% seiner Gedankenkraft auf das Wort der Lehrerin konzentrieren. Mit weiteren 20% nimmt er allerdings wahr: da hinten singt eine Amsel, da bremst ein Auto, da ruckelt einer mit dem Stuhl, hier fällt ein Stück Papier herunter und Annegret hat einen neuen Pullover. Und mit 60% muss er sich in diesen 45 Minuten auf die Frage konzentrieren: was mache ich jetzt mit meinem Körper?

Und dann sagt die Lehrerin schon wieder: „Karl-Heinz, du ruckelst schon wieder mit dem Knie!“ Etwas später sagt die Lehrerin: „Karl-Heinz, du sollst doch nicht mit dem Stuhl wippen!“ Und etwas später befasst sich Karl-Heinz mit der Frage: kann ich nun den Kopf auf den Tisch fallen lassen oder nicht? Eigentlich ist mir gerade danach. Wenn ich den gleiche Situation auf die Bodensee-Schule in Friedrichshafen (Grundschule) übertrage, dann sehen Sie, dass die Schüler dort im Wesentlichen sitzen, obwohl sie auch Stühle und Sitzbälle haben, aber sie können ganz alleine entscheiden, worauf sie sitzen wollen.

Da gibt es zwei Mädchen, die möchten die ganze Zeit auf dem Stuhl sitzen. Es gibt auch zwei Jungen, die möchten die ganze Zeit auf dem Ball sitzen. Aber die meisten wollen mal hier und mal da sitzen. Und es gibt immer fünf Schüler, die wollen nur auf dem Teppich lernen. Dann könnte Karl-Heinz ganz allein entscheiden, ob er das Buch, was er da gerade lesen soll, auf dem Rücken liegend und das Buch nach oben streckend liest oder im Schneidersitz das Buch auf seinen Knien hat oder ob er ständig seine Position ändert.

Ihm ständen dann plötzlich 80% seiner Gedankenkraft für das Thema zur Verfügung, mit 20% kriegt er allerdings immer noch mit, dass da eine Amsel singt, da ein Auto bremst, da hinten einer mit dem Stuhl ruckelt, dass da ein Stück Papier runter fällt und dass Annegret einen neuen Pullover hat. Das ist aber immerhin eine Vervierfachung der Aufmerksamkeit! Stellen Sie sich mal vor, es gibt in Deutschland noch Schulen, da bekommen kleine Kinder Noten. In Wirklichkeit ist es so, sagen uns die Hirnforscher, Kinder bis etwa 13 lernen besser ohne Noten.

Jugendliche von 14 aufwärts lernen allerdings wesentlich besser mit Noten. Hier müssen Sie folgendes noch mit bedenken, was Politiker auch in Sachsen gar nicht bedacht haben, sie können gar nichts dafür, dass es so gelaufen ist, das sagen uns die Anthropologen und die Hirnforscher. Kleine Jungen waren schon immer so gebaut, also auch schon vor 10.000 Jahren, dass sie durch Ausprobieren die Welt erobern und verstehen wollen. Lernen durch trial and error, durch Versuch und Irrtum. Kleine Mädchen waren schon immer ein bisschen anders gebaut.

Sie wollten schon immer zwischen dem 3. und 7. Lebensjahr, leicht erhöht im Vergleich zu den Jungen, sich den Erwartungen ihrer Hauptbezugspersonen anpassen, von den Eltern, von der Erzieherin und von der Grundschullehrerin. Jetzt übertreibe ich mal: wenn ein kleiner Junge in Klasse 3 versucht, durch Ausprobieren fünf Matheaufgaben zu lösen, kann es ihm passieren, dass er mit vielroter Tinte eine Note 5 bekommt. Wenn ihm das mehrmals widerfahren ist, kann es sein, dass er sagt: „mit dem Scheiß will ich nichts mehr zu tun haben“. Die Wiedereinführung der Noten in Klasse 2 in Bayern, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Sachsen, Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern ist eine gezielte Benachteiligung der Jungen beim Lernen.

Schleswig-Holstein hat jetzt die Einführung der neunjährigen Grundschule ohne Noten und ohne Sitzenlassen bei gleichzeitiger Abschaffung der Sonderschulen beschlossen. Jedenfalls in der Nordhälfte Schleswig-Holsteins, weil es dort zu wenig Schüler, weder für die Haupt- noch für die Realschule, gibt. Es gab Veranstaltungen im ganzen Land dazu und dann stellen die Mütter immer zwei Fragen. 1. Mein kluger Karl-Heinz musste sich bisher schon drei Jahre in der Grundschule langweilen, weil die Lehrerin ständig Rücksicht auf die „Schmuddelkinder“ nehmen musste. Nun soll er sich künftig neun Jahre langweilen?

2. Das kann doch gar nicht sein, dass Schweden insgesamt, weltweit gesehen, und da sind sich alle Experten einig, wohl die besten Schulen der Welt hat und bei Tims, also bei Zwölftklässlern, stehen sie mit großem Abstand auf Platz 1 in Mathe und in den Naturwissenschaften. Aber das kann doch gar nicht sein, wenn sie die ersten acht Jahre wie auch in Norwegen gar keine Noten kriegen! Das kann doch nicht sein! Mütter verstehen nicht, wie das denn geht: ohne Noten so erfolgreich. Damals kamen in NRW 37% eines Schülerjahrgangs zum Abitur, in Bayern 17%, heute sind es in Bayern 19%, bundesweit sind es 27%.

Bayern ist mit der Produktion von Abiturienten aus einem Geburtsjahrgang zurzeit Schlusslicht in Europa. Deutschland steht auf einem ganz schlechten Platz, weil die meisten Länder mehr Abiturienten produzieren. In Finnland kommen 70% eines Schülerjahrgangs zum Abitur, in Schweden 75% und sofort denken Sie, das muss mit Niveauverlust erkauft sein. Nein, kann ja nicht sein! Wenn sie bei Tims weltweit auf Platz 1 stehen, kann das kein Niveauverlust sein.

Wenn wir Unterricht so machen wie bisher, dann darf die Grundschule nicht länger als vier Jahre dauern, dann wäre es besser, sie würde nur zwei Jahre dauern. Wenn wir Unterricht so machen wie bisher, brauchen wir danach ein dreigliedriges Schulsystem. Wenn wir Unterricht so machen wie bisher, müssen wir ganz früh, am besten in Klasse 1, mit Noten beginnen. Und wenn wir Unterricht so machen wie bisher, dürfen wir keine Ganztagsschulen schaffen, denn dann wären Ganztagsschulen Käfighaltung mit Zwangsbegluckung. Das wäre so was wie Kinderknast.

Wenn wir Unterricht so machen wie bisher, dann darf die Grundschule nicht länger als vier Jahre dauern, dann wäre es besser, sie würde nur zwei Jahre dauern. Wenn wir Unterricht so machen wie bisher, brauchen wir danach ein dreigliedriges Schulsystem. Wenn wir Unterricht so machen wie bisher, müssen wir ganz früh, am besten in Klasse 1, mit Noten beginnen. Und wenn wir Unterricht so machen wie bisher, dürfen wir keine Ganztagsschulen schaffen, denn dann wären Ganztagsschulen Käfighaltung mit Zwangsbegluckung. Das wäre so was wie Kinderknast.

Wenn wir aber wollen, dass junge Menschen in kürzerer Zeit mehr lernen, dann müssen wir es anders machen. Die Einsicht ist uralt. Schon Konfuzius sagte: „Erzähle es mir und ich vergesse es wieder. Zeige es mir und ich erinnere es, wenn es mir mal wieder einer zeigt. Lass es mich tun und ich verstehe es für immer“. Die Lernpsychologen sagen uns, jedes Kind, was auf die Welt kommt, ist ein geborener Lerner. Jedes, sogar der Autist! Manchmal gelingt es uns, meistens der Schule, dass aus dem einen oder anderen Kind ein Lernversager wird.

Zweitens, alle Kinder, die auf die Welt kommen, möchten anderen Menschen gefallen. Das will jedes Kind. Aber wenn so ein Kind nach vielen Jahren für sich selbst zu dem Schluss kommt: eigentlich gefalle ich niemandem … dann kann ich verstehen, dass es wenigstens einigen Gleichgesinnten in einer abartigen Nische als Grufti, Skinhead oder S-Bahn-Surfer gefallen will. Und drittens, alle Kinder, die auf die Welt kommen, möchten etwas leisten, sie wollen alle etwas können. Jedes Kind will etwas können.

Das Ideal einer Schülerin ist die kleine Lotta bei Astrid Lindgren, die hüpfend und freudestrahlend aus der Schule stürmt und ausruft: Ich kann so viel! Gut, es ist ja auch eine schwedische Schule und in Schweden gibt es ja auch nicht ein negatives Wort wie „Streber“. Streber als böses Wort kann es natürlich nur in Ländern geben, wo ein guter Schüler die Durchschnittsnote einer Klasse drückt. In Schweden kann kein guter Schüler eine Durchschnittsnote drücken, da es ja die ersten acht Jahre gar keine Noten gibt.

Aber wenn so ein junger Mensch nach 13 Jahren für sich selbst zum Schluss kommt, eigentlich kann ich gar nichts und das hat man mir immer wieder bescheinigt, dann kann ich verstehen, dass er wenigstens gut lügen, gut klauen oder gut zuschlagen können will. Die Hirnforscher sagen uns: umgekehrt würde ein Kind besser lernen. Und was heißt das konkret? Von dem, was ein Schüler liest, bleibt auf Dauer im Schnitt 10% haften. Lesen ist außerordentlich wichtig, das ist eine Türöffnerqualifikation. Man muss lesen können, weil man sonst auch nicht Geschichte und Biologie lernen kann und weil man sonst später keinen Kontoauszug lesen kann und keinen Mietvertrag unterschreiben kann.

Man muss lesen können, nur beim Lernen kann man so außerordentlich schlecht darauf vertrauen. Von dem, was ein Kind nur hört, bleibt auf Dauer im Schnitt 20% haften. Stellen Sie sich mal vor, die deutschen Schulen vertrauen im Wesentlichen auf Lernen durch Zuhören. Ich komme darauf gleich. Von dem, was ein Kind nur sieht, Stummfilm, Bild, Demonstrationsversuch, Museum, übliches… bleibt auf Dauer 30% haften. Wenn Sie sehen und hören verknüpfen, dann bleibt auf Dauer schon 50% haften.

Der bekannte US-Pädagoge Lewis J. Perelman aus New York sagt in seinem Buch „School is out“: Schule war eine wichtige Institution in einer kurzen Übergangsphase in der Entwicklung der Menschheit. Also etwa 250 Jahre lang und nun sei ihre Zeit vorbei. Was will er damit sagen? Er will damit sagen: Erstens, alle Generationen von Menschen, die hier auf der Erde lebten, hatten es im Wesentlichen mit Informationsmangel zu tun. Heute werden die entferntesten Katastrophen der Welt in Sekundenschnelle bis in das Bett des Kinderzimmers transportiert.

Er sagt: heutzutage lernen Kinder außerhalb der Schule etwa hundert Mal so viel wie innerhalb der Schule und da kann man auch ganz beruhigt sein, weil sie außerhalb der Schule viel Unnützes, Unwichtiges, Falsches und Schädliches lernen. Aber er sagt auch: das Nützliche, was Kinder außerhalb der Schule lernen, ist heute immer noch 20 Mal so viel wie das, was die Schule zustande bringt. Und er sagt: das Wichtigste, was Kinder lernen, lernen sie zum Glück, bevor sie in die Schule kommen. Nämlich das Laufen und das Sprechen.

Und er sagt: würde man die Schulen damit beauftragen, Kindern künftig auch das Laufen und das Sprechen beizubringen, dann man müsste man sich auf ganz schlechte Ergebnisse gefasst machen. Weil die Schulen versuchen würden, den Kindern das Laufen im Sitzen beizubringen. In Wirklichkeit geht es ja so, der Kleine krabbelt immer. Eines Tages richtet er sich auf, um ein paar Schritte zu wagen. Dann fällt er wieder hin. Das ist nicht so schlimm, denn er fällt aus geringer Höhe, die Knochen sind noch weich. Aber würde die Mutter ihm dann eine Ohrfeige hauen, weil das ja ein Fehler im Fach „Laufenlernen“ war, dann würde er bald mit Laufen aufhören. Das tut die Mutter nicht, sie nimmt ihn in den Arm und strahlt ihn an…

Das erste Sprechen ist sehr fehlerhaft, da stimmen die Buchstaben nicht, die Grammatik nicht, zur Katze wird Hund gesagt, das finden wir niedlich, und so kann der Kleine auch sprechen lernen. Aber nun geht es ja weiter. Von dem, was Kinder zu lernen haben und gleichzeitig auszusprechen haben, bleibt schon 80%. Es geht nicht darum, dass wir das, was die Schulen heute machen, abholzen und neu aufforsten. Vieles von dem, was wir jetzt machen, ein bisschen weiter machen... Eine Stunde pro Tag frontal und lehrerzentriert ist sehr wichtig. Und dann müssen wir manches neu machen. Aber wir müssen sogar Uraltes, was wir überhaupt nicht mehr tun, dringend wieder entdecken.

Gedichte auswendig lernen und vortragen, Merksätze mit Rhythmus und Reim, wie: z.B.: „Iller, Isar, Lech und Inn fließen zu der Donau hin“. „Wer brauchen ohne zu gebraucht, braucht brauchen überhaupt nicht zu gebrauchen.“ usw. Sie freuen sich manchmal, wenn ein 85-jähriger Mann noch komplett Schillers Glocke hersagen kann oder ganze Passagen aus dem Faust. Warum kann der das eigentlich? Ja, weil er es früher immer hersagen musste und jetzt kommt ein ganz entscheidender Satz. Eine aktuelle Studie des psychologischen Seminars der Uni Hannover hat bundesweit ergeben, was vor 35 Jahren Tausch und Tausch schon festgestellt haben, das berühmte Psychologenehepaar.

Eine deutsche Unterrichtsstunde dauert im Schnitt 45 Minuten. Ein deutscher Schüler spricht zurzeit im Bundesdurchschnitt in 45 Minuten eine Minute. Die deutschen Lehrerinnen sprechen im Bundesdurchschnitt immer noch mehr in 45 Minuten als sämtliche vor ihr sitzenden Schüler zusammen in diesen 45 Minuten. Ein deutscher Schüler lernt zurzeit in 45 Minuten zwei Minuten etwas sinnvoll Neues. Das ist ein volkswirtschaftlicher Skandal! Und jetzt geht es weiter: und dann noch vier Minuten etwas Sinnvolles in einer Unterrichtsstunde, was die Lehrerin überhaupt nicht beabsichtigt hat. Doppelt so viel Sinnvolles im Vergleich zu dem, was die Lehrerin beabsichtigt hat.

Das macht uns deutlich: wir überschätzen die Bedeutung des Lehrers beim Lernen. Und da sagen die Finnen so schön: es gibt in Deutschland immer noch Lehrer, die versuchen, beim Lernen die Tore selbst zu schießen. Statt wie ein Coach am Spielfeldrand zu begleiten, dass die Schüler die Tore beim Lernen schießen. Und da sagt Enja Riegel, die ehemalige Leiterin der Helene-Lange-Schule in Wiesbaden: „[…]die deutschen Lehrer sind vielleicht komisch, die sorgen im Unterricht dafür, dass die Schüler nicht mehr darauf kommen können, die Probleme zu lösen“. Das wird denen alles abgenommen. Offiziell heißt es, fragend entwickelnder Unterricht.

Das Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin nennt das „Osterhasenpädagogik“. In Deutschland gibt es noch Schulen, da hat man so viereckige Räume mit einer Tür, das nennt man auch Klassenraum. Dann stehen um Punkt 8.00 Uhr 28 Schüler vor einer verschlossenen Klassenraumtür und um 8.00 Uhr und 2 Sekunden kommt eine Lehrerin und schließt diese Tür auf und alle strömen da rein und nach 45 Minuten läutet zentral im gesamten Gebäude eine Schulklingel. Ist das nicht furchtbar? Das ist ja ein Symbol für eine Unterrichtsvollzugsanstalt mit einem belehrenden Stundengeben.

An der Bodenseeschule in Friedrichshafen ist der Lehrer ein gastgebender Lernberater in einem kundenorientierten Dienstleistungsbetrieb. „Osterhasenpädagogik“ heißt, die Lehrerin kommt rein und versteckt erst einmal die Lernziele. Nun sollen die Schüler alle in den gleichen kleinen Schritten voran schreiten und am Ende der Stunde gleichzeitig diese Ostereier, also diese Lernziele gefunden haben. Und am Ende kommt bei PISA heraus, wenn man sie so abfragt: wie heißt denn das Hebelgesetz?

Dann können sie schon sagen, Kraft mal Kraftarm ist gleich Last mal Lastarm. Also das Wissen wird noch vermittelt. Aber es gibt zwei andere Effekte in den deutschen Schulen auf die ich hinaus will. Erstens, wenn sie denn mit dem Abitur die Naturwissenschaften beendet haben, sagen sie, mit dem Kram will ich nie wieder in meinem Leben was zu tun haben, also sie lernen dort nicht weiter. Und zweitens sagen sie: sie können es auf keine andere Lebenssituation, obwohl sie es hersagen können, also nicht mal auf den Nussknacker anwenden.

Das Letzte noch mit einem Satz. Von dem, was Kinder tun, bauen, herstellen, präsentieren und erklären, bleiben schon 90% haften. Wenn Kinder das, was sie zu lernen haben, nicht nur aussprechen (das ist viermal so viel wie durch Zuhören), sondern auch noch anderen erklären, dann langweilen sie sich erstens nie, weil das ja eine sehr schwere Beschäftigung ist, einem anderen etwas zu erklären. Wenn sie das sogar noch präsentieren können … z.B. bei Elternabenden. In Finnland gibt es alle sechs Wochen einen bußgeldbewehrten Elternabend, wenn nicht zumindest Oma kommt, müssen die Eltern Bußgeld zahlen. Also durch Präsentieren lernt man so viel, das ist dann viereinhalb Mal so viel.

10% der Menschen sind in der Lage, durch Zuhören zu lernen, aber die 10%, die das können, können das unabhängig von ihrer Begabung. 10 % der Hochbegabten können gut durch Zuhören lernen, 10% der normal Begabten können gut durch Zuhören lernen, 10% der Hauptschüler können gut durch Zuhören lernen, 10% der Lernbehinderten können gut durch Zuhören lernen. Die anderen können auf andere Art und Weise besser lernen.

Dies ist die aktuelle Ausstattung der deutschen Kinderzimmer von Grundschülern mit Medien. Fernseher, CD-Radio, Computer, Gameboy, DVD, Playstation. Hier geht es nicht um das, was im Haushalt ist, sondern was direkt im Kinderzimmer ist. Wir nennen das das multimedial vernetzte Kinderzimmer. Das sind Durchschnittswerte, bei 6-Jährigen ist es weniger, bei 11-Jährigen, in den neuen Bundesländern ist es mehr. Die Hirnforscher sagen uns, Kinder, die so aufwachsen, haben bereits andere Hirnvernetzungen als wir Erwachsenen, die wir nicht so aufgewachsen sind. Das sieht man dem Kind nicht sofort an, es ist uns schon fremd. Und das ist entscheidend.

Sie haben vielleicht mitbekommen, dass wir unlängst zwei „Nachbeben“ bei PISA hatten, es kommen ja immer verspätet noch zwei oder drei kleine Studien. Die eine hieß: in allen europäischen Ländern werden die Migrantenkinder immer besser, nur in Deutschland werden sie immer schlechter. Das meine ich aber jetzt nicht, sondern die zweite Studie hat viele Eltern geschockt: Kinder, die zu Hause viel am Computer spielen oder an der Playstation, sind mit 15 in Mathematik und Technik besser als Kinder, die so was nicht haben. Diese Kinder sind anders und sie sind in drei Punkten anders und anders heißt nicht schlechter.

Erstens, Kinder, die so aufwachsen, können nicht mehr gut zuhören. Das ständige, actionreiche, farbige, schnell wechselnde Bild zu Hause, aus amerikanischen Spielfilmen, aus einem Comic oder von der Playstation oder Gameboy hat ihre Wahrnehmungsschwelle „versaut“. Das Wort der Lehrerin allein überwindet nicht mehr ihre Wahrnehmungsschwelle. Sie können nicht mehr gut zuhören. Zweitens, Kinder, die so aufwachsen, sind beruflich gesehen außerordentlich industriegeeignet, aber außerordentlich wenig schulgeeignet. Das wissen wir heute an der enormen Zunahme der guten Computerfachleute, die gar keinen Schulabschluss geschafft haben, weil das zwei verschiedene Sachen sind.

Drittens, Kinder, die so aufwachsen, haben bereits eine andere Fehlerkultur drauf. Wir müssen uns freuen, wenn sie Fehler machen beim Lernen. Sie lernen über Um- und Irrwege. Und solange wir das Fehlermachen bestrafen, benachteiligen wir eben gezielt die Jungen. Jeder kleine Junge lernt auf dem Bolzplatz durch Fehlermachen Fußballspielen. Jeder Skater lernt durch Fehlermachen Skateboard fahren usw.

Die Großindustrie (VW, Siemens, Daimler-Chrysler, Bosch) sagen uns, unsere Schüler haben eine mangelhafte Fehlerkultur. Sie können nicht in kurzer Zeit an den großen Maschinen die Fehler finden und reparieren, weil sie in der Schule gelernt haben, dass der Fehler etwas Schlimmes ist. Und dann kommen diese Schulabgänger zur Universität. Das Versagen, weil man ja das Lernen nie erlernt hat, auf der Universität endet dann mit einem Studiums-Abbruch (meist nach dem zweiten Semester).

Dann kommen die Ausbildungsbetriebe ins Spiel. Sie müssen dann Alles in kürzester Zeit richten und reparieren. Und das wird aus den oben genannten Gründen immer schwerer. Nicht nur die Schulabgänger haben sich enorm verändert, sondern auch der Beruf des Ausbilders. Wenn früher der Ausbilder der Vermittler des berufsspezifischen Fachwissens und Fertigkeiten war, übernimmt er heute immer mehr Aufgaben. Er ist Kümmerer, Anwalt, Elternersatz, Freund, Begleiter, Berater und Ansprechpartner in schwierigen Situationen.

Wir haben in Deutschland weltweit die wenigsten Ausbildungsabbrecher. Warum? Weil das duale Ausbildungsprinzip in Deutschland und der Schweiz das beste Prinzip ist und noch funktioniert. Viele Länder beneiden uns für dieses Ausbildungsprinzip. Leider wird dieses Ausbildungsprinzip von vielen Firmeninhabern als zu teuer angesehen. Hier kann ich nur sagen: Wir haben einen Facharbeitermangel. Wer jetzt nicht selbst ausbildet wird schon in naher Zukunft nicht mehr wettbewerbsfähig sein. Fortsetzung folgt.

Für den Artikel ist der Verfasser verantwortlich, dem auch das Urheberrecht obliegt. Redaktionelle Inhalte von European-News-Agency können auf anderen Webseiten zitiert werden, wenn das Zitat maximal 5% des Gesamt-Textes ausmacht, als solches gekennzeichnet ist und die Quelle benannt (verlinkt) wird.
Zurück zur Übersicht
Info.