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Hoffnung: Gefühl, Tugend oder Lebenseinstellung?

Verantwortlicher Autor: Herbert J. Hopfgartner Salzburg, 22.10.2022, 13:08 Uhr
Fachartikel: +++ Kunst, Kultur und Musik +++ Bericht 15649x gelesen

Salzburg [ENA] Eine Pandemie, ein mitten in Europa tobender Krieg, Dürren, Waldbrände und andere Vorboten einer Klimakatastrophe, dazu wirtschaftliche Ängste: Das 21. Jahrhundert birgt für uns noch nicht da gewesene Bedrohungen und Sorgen. Und trotzdem hoffen wir: auf eine bessere, friedlichere, gerechtere Zukunft. Ist dieses Denken nicht einfältig? Sollten wir nicht viel kritischer oder misstrauischer sein?

Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt und scheint damit eine Art Lebenselixier zu sein. Desgleichen drückt die Wendung, „in guter Hoffnung sein“ drückt – freilich in altertümlicher Weise – ein positiv besetztes Gefühl aus. Allerdings – ein „Zuviel“ an einer zuversichtlichen Stimmung ist für Menschen offenbar auch nicht zuträglich: Die Redewendung, „Mach’ dir besser keine (großen) Hoffnungen…“, besagt, dass dem Einzelnen wohl nur eine bestimmte Menge an Optimismus gegeben ist. Die Phrase ist interessanterweise nur im Plural in Gebrauch!

Der Begriff „Hoffnung“, vom mittelniederländischen „hopen“ (vgl. englisch „to hope“) abstammend, deutet ursächlich auf einen Bewegungsimpuls hin. Das dem Verb zugrundeliegende „hüpfen“ darf als „vor Erwartung (unruhig) zappeln, springen“ gedeutet werden. Gerade bei Kindern ist diese Anspannung, dieses „Nicht erwarten können“, gut zu beobachten. Zu große Vorfreuden (wieder ein Plural) werden als unrealistische „Wunschträume“ und Illusionen bezeichnet. Die Lebensferne dieser Sehnsüchte und flüchtigen Traumgebilde haben wahrscheinlich kaum Aussicht auf Verwirklichung und Erfüllung.

Elpis, die Tochter der Nyx (der Nacht) und Zeus, selbst Mutter der Pheme (Fama), des Gerüchts, ist die Verkörperung und das Sinnbild der Hoffnung. Nach Hesiod erhält Pandora, die ja auf Geheiß des Göttervaters von Hephaistos aus Lehm geschaffen und von Aphrodite, Athene und Hermes mit Liebreiz, Blumen und bezaubernder Sprache ausgestattet wurde – eine Büchse, die alle Übel und Plagen der Welt – und zu guter Letzt die Hoffnung enthält. Im Gegensatz zu Prometheus („der vorher Denkende“) öffnet Epimetheus („der nachher Denkende“) vorschnell die Büchse, worauf alle Laster und Untugenden entweichen. Der Legende nach soll nur die Hoffnung in der Büchse verblieben sein…

Nach einer anderen Lesart (Aristophanes) war Pandora eine Göttin der Erde, die den Menschen alle zum Leben notwendige Dinge schenkte. Auf einer 2500 Jahre alten Kylix, einem flachen Trinkgefäß, ist zu sehen, wie Athene und Hephaistos eine Frau erschaffen, die als Anesidora („die Gaben Sendende“) bezeichnet wurde. Vielleicht ist die misogyne (frauenfeindliche) Darstellung der Pandora nicht die ursprüngliche, sondern schon eine von Männern geschaffene Umdeutung?

Gleichwohl ist die Hoffnung als „Gabe“ der Nacht, also des Unbewussten und Intuitiven, ein wichtiges „Geschenk“ an die Menschen, das diese ermuntern soll an ihrem Tagewerk nicht zu verzweifeln. Der britische Philosoph Bertrand Russell (1872-1970) scheint diese Version zu bevorzugen, wenn er meint, dass „Hoffnung, nicht Furcht das schöpferische Prinzip in menschlichen Dingen ist.“

Nach Viktor Frankl (1905-1997), dem Begründer der Logotherapie, kann ein Mensch, der „um einen Sinn seines Lebens weiß“, mithilfe dieses Bewusstseins äußere Schwierigkeiten und innere Beschwerden überwinden. Eine Sinnfindung ist freilich mit gewissen Zielen, die sich der einzelne Mensch setzt, verbunden: In Bezug auf ein zu schaffendes Werk, eine schöpferische Leistung, oder auf einen anderen Menschen und dessen Liebe kommt (nach Frankl) die Einmaligkeit und Einzigartigkeit des Individuums besonders zur Geltung. Jeder Einzelne erlebt diese „Unersetzlichkeit“ oder „Unvertretbarkeit“ der eigenen Person zugleich auch als Verantwortung für das jeweilige Leben bzw. zukünftige Weiterleben.

Das gar nicht pessimistische Diktum Friedrich Nietzsches, wonach derjenige, der „ein Warum zu leben hat, fast jedes Wie erträgt“, nimmt Frankl zum Anlass, das „Warum“, also das individuelle Lebensziel in den Mittelpunkt seiner Betrachtung zu rücken. Eingedenk dieses Sinns können Menschen das gegenwärtige Dasein, mitunter Leid und Schmerz, eben das „Wie“, viel besser bewältigen. Seiner Meinung nach wäre es ratsam sich umgekehrt zu fragen, was sich das Leben von einem selbst erwartet. Er empfiehlt, dass man die Aufgaben, die das Leben täglich bzw. in jedem Augenblick bereithält, nicht durch Reden, sondern durch Handeln und ein richtiges Verhalten lösen soll.

Mit diesen Gedanken hat Frankl möglicherweise einen anthropologischen Aspekt offengelegt, nämlich die Perspektive, dass Menschen, die die Hoffnung aufrechterhalten und ihr Leben trotz Gefahren und Nöte aktiv gestalten, die Fähigkeit erlangen, ihr Dasein als sinn- und wertvoll zu erleben – und deswegen Krisen und Katastrophen überstehen. In diesem Zusammenhang soll kurz erinnert werden, dass Frankl vier Konzentrationslager überlebt hat. Seine Eltern, sein Bruder und seine Frau wurden von den Nazis ermordet.

Immanuel Kants dritte Grundfrage der Philosophie, „Was darf ich hoffen?“ ist unweigerlich mit den zwei anderen, „Was kann ich wissen?“ und „Was soll ich tun?“ zu diskutieren. Für Kant (1724-1804) waren die äußeren Dinge nicht an sich gegeben, sondern wurden erst vom erkennenden Subjekt entworfen. Durch die reine Vernunft, die die Erkenntnis aus sich selbst und nicht aus der Erfahrung oder dem Widerkäuen alter Kenntnisse gewinnt, könne der Mensch Einsicht und Verständnis erlangen.

Während der Kategorische Imperativ theoretisch die ethischen Gesichtspunkte behandelt, umfasst der Aspekt der Hoffnung metaphysische und religiöse Momente. Gott ist entsprechend der „Kritik der reinen Vernunft“ aber nicht durch Wissen oder einer objektiven Erkenntnis erfahrbar, sondern (nur) durch ein philosophisch begründetes Hoffen. So ist die Existenz Gottes nach Kant zwar nicht beweisbar, die Vernunft nötige jedoch den Menschen, an Gott zu glauben, wobei in erster Linie der, der durch sittliches Wohlverhalten sich als des Glückes würdig erweise, „glückselig“ werden könne.

Auf Papst Gregor den Großen (540-604) geht der Kanon der sieben Tugenden zurück. Zu den vier platonischen (Klugheit, Gerechtigkeit, Tapferkeit und Mäßigung) fügte er drei göttliche Tugenden (Glaube, Liebe und Hoffnung) hinzu. Das Hohelied der Liebe aus dem 13. Kapitel des 1. Korintherbriefes wird als Hymnus über die Liebe angesehen und dementsprechend oft bei kirchlichen Hochzeiten gelesen.

„Die Liebe ist langmütig, die Liebe ist gütig. Sie ereifert sich nicht, sie prahlt nicht, sie bläht sich nicht auf. Sie handelt nicht ungehörig, sucht nicht ihren Vorteil, lässt sich nicht zum Zorn reizen, trägt das Böse nicht nach. Sie freut sich an der Wahrheit. Sie erträgt alles, glaubt alles, hofft alles, hält allem stand. Die Liebe hört niemals auf.“ (so ein Auszug aus 1 Kor 4-8)

Das Kapitel endet bekanntlich mit dem Satz: „Nun aber bleiben Glaube. Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen.“ Dem Autor, Paulus von Tarsus, war zu Ohren gekommen, dass es in der Gemeinde von Korinth Streitigkeiten gab und verschiedene Gruppen sich bekämpften. Sein Ziel war es, eine Einigung der rivalisierenden Gruppen und eine Befriedung der Kommune herbeizuführen. Im „Römerbrief“ legte dann Paulus nach:

Sein christlicher Gott war ein „Gott der Barmherzigkeit und der Hoffnung“. Wenn nun nach Søren Kierkegaard die Fähigkeit des Hoffens bedeutet „die Möglichkeit des Guten erwarten“ zu können, und diese Möglichkeit des Guten gleichzeitig „das Ewige ist“, dann bleibt uns – nach Ernst Bloch und Viktor Frankl – auch heute noch immer die Möglichkeit das Hoffen so gut es geht „zu lernen“!

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