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Geld: Wie funktioniert es eigentlich? Gibt's Alternativen?

Verantwortlicher Autor: Sergej Perelman Kirchheim unter Teck, 15.01.2021, 22:25 Uhr
Fachartikel: +++ Wirtschaft und Finanzen +++ Bericht 8557x gelesen
Dollar-Noten.
Dollar-Noten.  Bild: Gerd Altmann. https://pixabay.com

Kirchheim unter Teck [ENA] Geld – eine alltägliche und allgegenwärtige Sache, die für die meisten von uns bei näherer Betrachtung genauso gewöhnlich wie rätselhaft ist. Wie entsteht es? Wozu ist es da? Welche Probleme birgt es? Ist Gradido eine Alternative zum bestehenden Geldsystem?

In der Schule erfährt man in der Regel wenig über das Wesen des Geldes. Kaum jemand begreift seine Funktionsweise, um selbst konstruktive Kritik zu üben oder bereits vorhandene beurteilen zu können. Das ist sehr unbefriedigend, weil so eine mögliche Transformation unmöglich wird. Denn dafür benötigt man die Mehrheit der Bevölkerung. Dieser Artikel soll lediglich ein Nachdenken und Nachforschen über das bestehende Geldsystem und über Alternativen dazu anregen. Die hier angerissenen Aspekte des gegenwärtigen Geldes sollen im Bekannten- und Freundeskreis diskutiert werden. "Gradido" als eine mögliche Alternative zum herkömmlichen Geld soll bekannt gemacht werden zur selbstständigen Vertiefung.

Ursprüngliche Zweckbestimmung des Geldes

Ach, Geld, ist doch total überflüssig. Wir können auch ohne. Klar doch! Hier das Exempel. Also ich arbeite als Legasthenietrainer. Sie haben ein Kind, welches einen Förderbedarf beim Lesen und Schreiben aufweist. Gar kein Problem! Ich trainiere Ihr Kind und Sie bauen mir dafür einen Schrank, weil Sie ein Schreiner sind. Sag ich doch, Problem gelöst! Weil sich herausgestellt hat, dass das Lese-/Schreibtraining länger dauert, bekomme ich noch einen schmucken Holztisch dazu. Also, geht doch!

Die Marktfrau, bei der ich gerne die leckeren, rotbackigen Äpfel erwerben möchte, hat bestimmt auch ein Kind, das ein Training benötigt, auch die Käseverkäuferin, der Frisör, ja einfach alle Gewerbetreibenden und Dienstleister, die meine natürlichen Bedürfnisse und Vorlieben decken können, haben Kinder, welche auf meine Dienstleistung angewiesen sind. Somit ist das Problem schon gelöst! Schaffen wir das Geld also jetzt gleich ab! Es geht doch ohne, oder?

Bei näherem Hinsehen, wird zweifellos erkennbar, dass es so einfach, wie oben dargestellt, wahrscheinlich doch nicht ist. Zum einen könnte es sein, dass das Kind des Obstverkäufers schon eine Trainerin hat oder der Verkäufer hat gar keine Kinder oder er ist mit meinem Konzept oder mit dem Preis nicht einverstanden. Was nun? Was ist, wenn ich verreisen will. Ich möchte den Zug um 07:30 Uhr nehmen, um die Fähre rechtzeitig noch zu kriegen. Was nun, wenn die Zugführerin keine Kinder hat oder wenn ihre Kinder einfach gar keinen Bedarf haben oder sie ist aus einem anderen Grund, von vielen möglichen, nicht an meinem Angebot interessiert? Soll ich in dem Fall einen Tag früher anreisen, weil dieser Zugführer ein Kind mit Förderbedarf haben könnte?

Aber was passiert, wenn ich bei einer früheren Anreise kein Hotelzimmer bekomme, weil die Hotelbesitzerin schlichtweg keinen Bedarf hat? Umgekehrt könnte es sein, dass die Eltern eines Kindes, was unbedingt eine Förderung durch mich benötigt, mir nichts an Gütern oder Dienstleistungen anbieten können, welche meinem aktuellen Bedarf entsprechen. Fragen über Fragen. Überall Unsicherheiten. Wo man nur hinschaut – Unwegsamkeiten. Kurzum: Das Exempel ist gescheitert. Somit scheinen wir also doch auf Geld angewiesen zu sein. Aus dem Gedankenexperiment oben lässt sich nun recht leicht der Vorteil von Geld gegenüber unmittelbarem Tauschhandel von Ware gegen Ware oder Dienstleistung gegen Dienstleistung begreifen.

Das Geld wurde zum Vermittler, das symbolisch die Arbeitsleistung einer Person repräsentiert. Abstrakt gedacht wird der Wert einer konkreten Ware oder Dienstleistung von ihrer Bestimmtheit als solche abgelöst und auf den Vermittler – Geld – übertragen und wir bekommen einen universellen Vertreter für die konkrete Ware oder Dienstleistung, also ohne die Bindung an eine konkrete Arbeitsleistung, wodurch ein universeller Austausch von Arbeit bzw. Arbeitserzeugnissen nach den jeweiligen Bedürfnissen der Marktteilnehmer möglich wurde, ohne eine Abhängigkeit von Zeit, Raum und den jeweils konkreten Arbeits- und Lebensverhältnissen des Käufers und Verkäufers.

Insofern ermöglicht das Geld eine effiziente Arbeitsteilung unter Menschen, die in einer Gemeinschaft miteinander leben. Die Arbeitsteilung ihrerseits ist eine notwendige Voraussetzung für technischen Fortschritt, welcher wiederum materiellen Wohlstand schafft. (1) Daraus lässt sich schließen, dass Geld in seiner Funktion als Vermittler von Tauschgeschäften ein Garant für materiellen Wohlstand ist.

Geldschöpfung

Soeben habe ich meinen Kontostand geprüft und dabei den Eingang meines Monatslohns in Höhe von 1.500€ festgestellt. Wie kommt dieser Betrag eigentlich zustande? Warum sind es genau 1.500€? Warum nicht 2.000€? Jeder von uns hat einen bestimmten Stundenlohn und eine festgelegte Anzahl an Arbeitsstunden im Monat. Daraus ergeben sich in meinem Fall die 1.500€. Hätte ich einen höheren Stundenlohn, würde ich mehr Geld bei derselben Anzahl an Arbeitsstunden empfangen; oder umgekehrt: ein niedrigerer Stundenlohn würde mich mit weniger bescheren. Eine Erhöhung der Arbeitsstunden würde ebenfalls zu einer Steigerung meiner Einnahmen führen bei gleichbleibendem Stundenlohn, eine Senkung derselben würde wiederum zu einem Lohnabfall führen.

Dieser Zusammenhang ist trivial. Mir geht es hier um die Klärung der Frage: Woher kommt eigentlich das Geld? Die 1.500€ wurden mir von meinen Kunden aufs Konto überwiesen. Woher haben sie das Geld? Sie haben es von ihrem Arbeitgeber oder von ihren Kunden. Woher bezieht es der Arbeitgeber? Er hat auch Kunden, welche wiederum Kunden haben und so weiter und so fort. Wo kommt es denn nun ursprünglich her? Das weiß doch jeder: von der Bank. Jeder von uns hat ein Konto bei der Bank. Die Bank schreibt uns bei einer Transaktion Geld gut oder tilgt es, wenn wir uns etwas kaufen. Diejenigen ohne Konto bekommen Geld bei einer Bank vor Ort in bar ausgezahlt. Beide Male ist es die Bank, die uns mit Geld versorgt.

Es gibt Geld, was schon im Kreislauf enthalten ist. Dieses wird zwischen Kunden und Anbietern hin und her transferiert. Es musste jedoch vorher erschaffen und in den Kreislauf eingebracht werden. Wir nähern uns dem bemerkenswertesten Phänomen der Geldentstehung. Zu einem bestimmten Zeitpunkt kann die Bank Geld erschaffen; die Fachtermini dafür sind: „schöpfen“ und „Geldschöpfung“. Unser Geld heißt auch „Fiatgeld“. „Fiat“ kommt aus dem Lateinischen und bedeutet: „Es werde/geschehe/entstehe.“ Die Bank macht es quasi wie Gott im Schöpfungsmythos, der dort sagt: „Es werde Licht!“, nur dass die Bank dabei Geld schöpft – und zwar aus dem Nichts. Deshalb heißt es im Fachjargon, Geld ist eine Creatio ex nihilo.

An dieses, wohl entscheidende Moment bei der Betrachtung der Herkunft des Geldes, ist unauflösbar die Tatsache gebunden, dass die Schaffung neuen Geldes in unserem Geldsystem strikt an die Vergabe von Krediten geknüpft ist. (2) Hier sei noch die Unterscheidung zwischen Buchgeld (auch Giralgeld genannt) und Bargeld erwähnt. Buchgeld ist das auf unserem Konto erscheinende, digitale Geld. Eine Bank fängt nicht willkürlich an, Buchgeld zu erzeugen. Die Schöpfung vollzieht sich als Kreditvergabe. Kunde Mustermann möchte einen Kredit in Höhe von 5.000€. Daraufhin wird der Betrag auf seinem Konto erzeugt. Geldschöpfung und Kredit sind demnach wie zwei Seiten einer Medaille.

Ein Kredit bedeutet immer eine Schuld, die jemand gegenüber der Bank oder einem privaten Geldanleger hat. In diesem Zusammenhang kann man das Geld in unserem gegenwärtigen System auch als Schuldgeld bezeichnen. Daraus lässt sich schließen, dass Geldschöpfung immer durch die Erzeugung von Schulden geschieht. Demnach ist das Guthaben des Einen die Schuld eines Anderen, weil Guthaben und Schulden immer gleich sein müssen, in der Summe Null ergeben.

Zinsen

Zusätzlich zum Kredit, der mich ja schon mit einer Schuld belastet, kommen in unserem Geldsystem noch Zinsen hinzu, die auf den Kredit draufgepackt werden, was die Schuld anwachsen lässt. Der Zins bedeutet für die Kreditnehmer einen Verlust und für die Kreditgeber einen Gewinn. Geldgeber können Banken oder private Geldanleger, also Sparer, sein. Eine häufig genannte Funktion des Zinses liegt in der Umlaufsicherung. Das Geld wird von den Geldbesitzern nicht gehortet, sondern in Umlauf gebracht. Für das Freigeben des Geldes wollen die Geldbesitzer eine Belohnung – den Zins. Er ist also die Prämie dafür, dass sie ihr Geld für neue Investitionen zur Verfügung stellen. Das Fachwort dafür ist Liquiditätsverzichtsprämie.

Unsichtbar und allgegenwärtig – Zinsen sind faktisch überall. In allem, was wir kaufen, sind Zinsen enthalten. Unternehmen bringen Produkte auf den Markt. Für alle Ausgaben, die sie in Verbindung mit ihrer Firma und der Herstellung des Produkts haben, wird ein Kredit aufgenommen. Die Zinsen für diesen Kredit werden in den Preis der Ware oder Dienstleistung, die sie auf den Markt bringen, einkalkuliert. Am Ende bezahlt der Verbraucher die Zinskosten. Das ist bei Trink- und Abwasserkosten genauso der Fall wie bei Mietskosten, Milch und allen anderen Gütern und Dienstleistungen.

Durchschnittlich sind 30% des Preises für Güter und Dienstleistungen des täglichen Bedarfs Zinsen. Dasselbe trifft auch auf Steuern zu. (3) Was der Mehrheit der Bevölkerung nicht bewusst ist, ist die Tatsache, dass die Staatsverschuldung der BRD, die sich aktuell auf insgesamt 2,27 Billionen Euro beläuft, auf die auch Zinsen anfallen, von allen Bürgerinnen und Bürgern gezahlt werden müssen. Derzeit liegt die Pro-Kopf-Verschuldung bei 27.370 €. (4) Um diese wachsenden Staatsschulden abzuzahlen, sind Zinsen auch in unseren Steuern mit durchschnittlich 30% enthalten.

Jeder, der Geld anlegt, freut sich über Einnahmen aus Zinsen. Wenn die Zinseinnahmen höher sind als die Ausgaben, dann hat man einen Gewinn gemacht. Doch wer profitiert von Zinsen, wenn wir die versteckten Zinsen, die jeder von uns für jedes Konsumgut und bei den Steuern bezahlen muss, miteinbeziehen? Wenn wir uns die deutsche Bevölkerung, aufgeteilt in 10 gleich große Gruppen anschauen und dabei die Zinslast und den Zinsertrag gegeneinander aufrechnen, stellen wir fest, dass 80% der Deutschen mehr Zinsen zahlen als sie durch Geldanlagen und Lebensversicherungen einnehmen. Bei weiteren 10 % sind Zinszahlungen und Zinseinnahmen ausgeglichen. Höchstens 10 % profitieren demnach von Zinsen.

Es handelt sich hierbei um die Gruppe der Vermögenden. Das Geldsystem sorgt für eine systematische Umverteilung von der Mehrheit der Bevölkerung zu der vermögenden Minderheit. Die reichsten 10 % der Bevölkerung bekommen ca. 60% der Zinsen als Gewinn. Hervorzuheben ist, dass es ein leistungsloser bzw. arbeitsloser Gewinn ist. (5) Hierin liegt auch der Grund für die stetige Zunahme von Armut in Deutschland. Die unsichtbare, immerwährende Umverteilung von unten nach oben ist ursächlich für das Anwachsen der Armen und das daraus resultierende soziale Ungleichgewicht. (6)

Die so systematisch begünstigte, immer fortschreitende exponentielle Geldakkumulation bei Wenigen führt unweigerlich zu einer Konzentration von Macht, die auf Medien, Politik und andere Institutionen ausgeübt werden kann, um die eigenen und nicht die Gemeinwohlinteressen durchzusetzen. Unser Geldsystem ist ein reichhaltiger Nährboden für das Gedeihen der Oligarchie von plutokratisch regierenden Feudalherren, welche die Demokratie aushebeln kann.

Kritik am Geldsystem

Kritische Positionen zum Geldsystem sind so alt wie der zivilisierte Mensch. Schon bei Aristoteles finden wir den Vorwurf, dass das Geschäft mit den Zinsen ungerecht ist: „(denn er erwirbt nicht von der Natur, sondern von Anderen) so ist mit gutem Grunde das Geschäft des Wucherers verhasst, weil er von dem Geld selbst den Gewinn bezieht und nicht aus den Geschäften, wozu das Geld bestimmt ist; es ist nämlich des Tausches wegen gemacht worden, aber der Zins vermehrt es durch sich selbst. Davon hat der Zins (τοκος, Junges) auch den Namen bekommen; denn das Geborene (τικτομενα) ist seinen Eltern ähnlich und der Zins ist Geld vom Gelde. Deshalb ist dieses Geschäft von allen auf Erwerb gerichteten das unnatürlichste.“ (7)

Wir stellen fest, dass auch Aristoteles den Zweck des Geldes darin sieht, dass es ein Tauschmittel darstellt, um Anbietern von verschiedenen Waren und Dienstleistungen die Möglichkeit zu geben ohne Komplikationen miteinander zu handeln. Im Prinzip nimmt Aristoteles oben den Vorwurf moderner Wirtschaftsanalytiker wie Helmut Creutz vorweg, dass nämlich der Gewinn aus Geschäften mit dem Zins ein leistungsloses, also arbeitsloses Einkommen darstellt. Das gehortete Geld auf Seiten des Geldverleihers und die Tatsache, dass Tausch nur mit Geld stattfinden kann, hebt die Not bzw. den Zwang eines Marktteilnehmers hervor, sich Geld zu leihen. Dafür muss er Zinsen in Kauf nehmen, denn er hat keine andere Wahl.

Auch der deutsch-argentinische Kaufmann und Finanztheoretiker Silvio Gesell (1862-1930) kritisiert den Zins. Seiner Meinung nach landet das Geld irgendwann sicher in der Tasche eines Sparers. Dieser gibt es erst dann wieder frei, wenn man ihm einen guten Zins dafür anbietet. Auf diese Weise ist alles kursierende Geld, dessen eigentliche Funktion es sein sollte, als Tauschmittel von Waren zur Verfügung zu stehen, nach einer bestimmten Zeit mit Zinsen belastet. Die Verwendung des Geldes als Ware zur Gewinnerzeugung aus Zins ist ein Missbrauch in den Augen Gesells. Dadurch wird, so Gesell, der allgegenwärtige Zins, zur „Vorbedingung der Warenerzeugung überhaupt“. (8)

Um es mal zu veranschaulichen: Die Erlaubnis, eine Ware herstellen zu können, bekommt man erst, wenn man bereit ist, Zinsen zu bezahlen. Für Gesell stellt der Zins einen „Friedenstörer“ dar. Der Grund dafür besteht darin, dass er es ist, der die Meschen in Arm und Reich trennt. Zu seiner Zeit war das Gold noch Zahlungs-mittel. So sagt er: „Das Gold lässt allgemeinen Volkswohlstand nicht zu. […] Es will Herren und Knechte; geplagte, überarbeitete Menschen einerseits und Schmarotzer anderseits.“ (9) Das Verhalten von Menschen, die von Zinseinnahmen leben, wird von Gesell scharf kritisiert:

„Und wie Lucifer macht es der Mensch, den der Zinsgenuss, das Leben auf Kosten anderer, geistig und leiblich unfähig gemacht hat, seine täglichen Bedürfnisse durch eigene Macht, durch Arbeit zu befriedigen. Immer muss er mit der Empörung der Zinszahler rechnen, wobei also seine wirtschaftliche Sicherheit außerhalb seines Ichs, stets gefährdet und gewissermaßen auf Kündigung, in Vorrechten und Papieren liegt."

"Ein solcher Mensch verliert ganz selbstverständlich die Fähigkeit, sachlich und gerecht zu denken gegenüber all den Ereignissen, die sein Dasein als Schmarotzer bedrohen. […] Dem Schwächling (sic. Geldverleiher) ist selbstverständlich jedes Mittel recht, womit er seine Vorrechte schützen zu können braucht. Er wird auch ebenso selbstverständlich jeden für roh, gemein, verdorben und des Todes für würdig halten, der seine Vorrechte angreift. […] Auf die Probe gestellt, gebraucht er alle Mittel, auch den Krieg!“ (10) Gold als Geld bzw. Mittel zur Deckung möchte Gesell beseitigen, weil es gefunden werden muss – was vollkommen dem Zufall überlassen ist und somit seien Streitigkeiten bis hin zu Bürger- und Völkerkriegen unumgänglich.

Ferner kritisiert Silvio Gesell in seinem Werk die Natürliche Wirtschaftsordnung die Tatsache, dass der Wert von Geld im Gegensatz zu dem Wert von Waren wie z. B. Obst und Gemüse nicht vergeht. Das Gemüse ist schon bald eingegangen und nichts mehr wert, das Geld hingegen behält seine physische Konsistenz und seinen Wert. Deswegen ist es für den Geldbesitzer ganz einfach sein Geld zu horten, weil es keinen Wertverlust erleidet. Anders der Warenbesitzer, er verspürt den Zwang seine Ware so schnell es nur geht, auf dem Markt abzusetzen, um keinen Verlust zu machen. Daraus zog Gesell den Schluss, dass man das Geld unbedingt auch mit der Fähigkeit ausstatten müsste, vergehen zu können. (12)

Gradido – ein neues Geld- und Wirtschaftsmodell

Gradido – eine Gemeinwohlwährung, in der noch viel mehr drin steckt. Herr Bernd Hückstädt, der Erfinder von Gradido, hat den Begriff der Natürlichen Ökonomie des Lebens dafür geprägt, was Gradido alles möglich machen soll. Gradido sei der „Weg zu weltweitem Wohlstand und Frieden in Harmonie mit der Natur“, so die Einleitungsworte auf der ersten Seite des kostenlosen E-Books zum Gradido-Modell. Gradido entstand einerseits aus der kritischen Auseinandersetzung mit den Schwächen unseres bestehenden Geldsystems, andererseits aus Untersuchungen der Wirtschaftsbionik. In der Wirtschaftsbionik dienen Prozesse in der Natur als Vorbilder für mögliche Strukturen und Funktionsweisen des Geld- und Wirtschaftssystems.

Eine entscheidende Säule der Natürlichen Ökonomie des Lebens ist die Vorstellung vom Dreifachen Wohl: das Wohl des Einzelnen (ein Mensch), das Wohl der Gemeinschaft (Familie, Region, Land, Menschenfamilie) und das Wohl des großen Ganzen (die ganze Welt inklusive der gesamten Natur auf der Erde). In der Natur finden sich überall Kreisläufe bzw. Zyklen: Der Tages-, Wochen-, Monats- und Jahreszyklus. Auch das Ein- und Ausatmen bildet einen Zyklus ab. Diese Kreisläufe und überhaupt alle Dinge vom Kleinsten bis zum Größten unterliegen immer einem Werden und Vergehen. Das einzig Beständige ist der Wandel. Möglich wird er nur durch das Prinzip des Vergehens bzw. Sterbens.

In der sich selbst regulierenden Natur ist stetiges Wachstum auf einer begrenzten Fläche und gleichbleibender Menge von Stoff nur dadurch möglich, dass Dinge wieder vergehen. Erst danach werden neue Dinge oder Lebewesen wieder erschaffen. Dieses Prinzip lasse sich auch auf das Geldsystem übertragen. Denn einen der größten Fehler unseres Geldsystems sieht die Wirtschaftsbionik darin, dass Beständigkeit und Stabilität angestrebt werden, ohne die natürlichste aller Funktionen bedacht und in das System integriert zu haben – die Vergänglichkeit. Dies führe unausweichlich zu Katastrophen wie Finanzkrisen, Wirtschaftskrisen, Inflation, Hunger, Umweltzerstörung und Krieg.

Wie geschieht die Integration des Vergehens bei Gradido? Dazu muss zunächst in Kürze vorausgeschickt werden, wie Geldschöpfung bei Gradido funktioniert. Jedem Menschen auf der Welt werden aufgrund seiner Existenz 3.000 Gradido pro Monat zugeteilt. 1.000 sind für den Einzelnen bestimmt in Form eines Aktiven Grundeinkommens (freiwillig), 1000 werden dem Staat zur Verfügung gestellt und 1.000 gehen in einen Ausgleichs- und Umweltfonds. Dieser Fonds hat die Aufgabe die Unterschiede zwischen Arm und Reich weltweit auszugleichen und den Umwelt- und Naturschutz zu stärken. Nun ein Auszug aus dem kostenlosen E-Book über Gradido zum Prinzip des Vergehens:

„Schauen wir uns den Kreislauf bei Gradido an. Das »Werden« ist die dreifache Geldschöpfung von 3.000 Gradido. Das Vergehen beträgt 50 % im Jahr. Dies sind ungefähr 5% im Monat. Das durchschnittliche Pro-Kopf-Guthaben regelt sich automatisch auf den Wert ein, bei dem die monatliche Vergänglichkeit gleich der monatlichen Geldschöpfung ist. Dies ist bei 60.000 Gradido der Fall, denn 5% von 60.000 sind 3.000. Würde sich das Guthaben erhöhen, dann würde die höhere Vergänglichkeit den Betrag herunterdrücken. Wird es niedriger, dann überwiegt die Geldschöpfung und drückt ihn wieder nach oben. Man spricht hier von einem stabilen Gleichgewicht, weil jede Abweichung aus dem Normalzustand automatisch zurück geregelt wird.“ (13), (S. 69)

Bei Gradido sind Zinsen nicht verboten, aber die eingearbeitete Vergänglichkeit des Geldes führt dazu, dass es voraussichtlich ein Überangebot an Krediten geben wird, weil alle, die mehr verdient haben als sie gerade benötigen, dazu geneigt sein werden, dieses Geld zu verleihen, weil sie sonst nach einem Jahr nur noch die Hälfte, nach zwei Jahren nur ein Viertel, usw. besitzen werden. Es ist sogar anzunehmen, dass es zu negativen Zinsen kommen wird, weil Kreditgeber sich denken werden, lieber habe ich nach 10 Jahren 80 % vom Geld als gar nichts zu haben.

Das war ein ganz kurzer Einblick in das Modell Gradido, welches noch viel mehr an Aspekten in sich schließt. Wer sich für die Alternative Gradido interessiert, möge sich bitte weiter unter (14), (15) und (16), hier gibt's ein kostenloses Hörbuch über Gradido, ausführlicher darüber informieren und – ganz, ganz wichtig: mit seinen Freunden und Bekannten teilen! Außerdem empfehle ich zur vertiefenden Arbeit am herkömmlichen Geldsystem das Buch „Das Geldsyndrom“ von Helmut Creutz und für die Auseinandersetzung mit anderen Optionen neben Gradido das Buch „Fließendes Geld für eine gerechtere Welt“ von Steffen Henke (17).

Quellen: (1) Vgl. Silvio Gesell: Gesammelte Werke. Die Natürliche Wirtschaftsordnung durch Freiland und Freigeld, 4. Aufl., Band 11, Lütjenburg 1991, S. 214. (2) Vgl.: https://de.wikipedia.org/wiki/Geldsch%C3%B6pfung (3) https://www.helmut-creutz.de/videos.htm#Fehler_im_Geldsystem (4) https://steuerzahler.de/aktion-position/staatsverschuldung/dieschuldenuhrdeutschlands/?L=0 (5) https://www.helmut-creutz.de/videos.htm#Fehler_im_Geldsystem (6) ebd. (7) https://www.projekt-gutenberg.org/aristote/politik/chap002.html (8) Vgl. Silvio Gesell: Gesammelte Werke. Die Natürliche Wirtschaftsordnung durch Freiland und Freigeld, 4. Aufl., Band 11, Lütjenburg 1991, S. 224.

Quellen: (9) ebd., S. 225. (10) ebd., S. 227. (11) ebd., S. 232. (12) ebd., S. 114-210. (13) https://gradido.net/wp-content/uploads/2020/09/gradido-ebook-de.pdf (14) https://gradido.net/de/ (15) https://gradido.net/wp-content/uploads/2020/09/gradido-ebook-de.pdf (16) https://www.dropbox.com/sh/5xd2rgnknzsmcao/AAC23lzU5l056rIxxtpggoKha?dl=0 (17) https://www.neuesgeld.net/index.php?option=com_content&view=article&id=225&Itemid=483

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