
"Staatskunst" Buch von Henry Kissinger
Wien [ENA] Der ehemalige amerikanische Aussenminister Henry Kissinger zitiert in seinem Buch "Staatskunst: Sechs Lektionen für das 21. Jahrhundert" auch den Historiker Andrew Roberts, der Staatskunst moralisch völlig neutral sieht, weil Führung sowohl fähig ist die Menschheit in den Abgrund wie auch auf ein sonnenbeschienenes Hochland zu führen und weil Führung eine Urgewalt ist, die erst moralisch ausgerichtet werden muss.
Das macht eigentlich Angst und man braucht sich nur die Geschichte und die täglichen Horrormeldungen über Krieg und Terror vergegenwärtigen, um die ganze Tragweite dieser Aussagen zu begreifen. Spielte Europa noch vor kurzem verträumt und selbstverliebt auf dem sonnigen Hochplateau von Wohlstand und Sozialstaat, scheinen uns zunehmend Krisen in einen kalten Abgrund zu stürzen. Wäre es für die Politik möglich gewesen, die enormen Verwerfungen der Asylkrise, dem Klimawandel, den Umgang mit der Corona Pandemie und den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine vorauszusehen und zu verhindern? Eigentlich schon, weil diese Krisen zum großen Teil auch auf Fehlentwicklungen von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zurückzuführen sind.
Aufschlussreich über das Wesen politischer Entscheidungen sind auch die politischen Führungsfiguren, die Kissinger näher beschreibt, wobei er auch die interessante Unterscheidung zwischen Staatsmann und Prophet macht, deren Stil die Geschichte immer wieder geprägt hat. Mut und Charakter sieht Kissinger als die wichtigsten Aufgaben der Staatsführung. In allen sechs beschriebenen Staatslenkern hatten die beiden Weltkriege unauslöschliche Spuren hinterlassen. War aber die "Strategie der Demut" eines Adenauers, die "Nuklearstrategie" des Gaulles, Nixons "Strategie des Gleichgewichts", Anwar El-Sadats "Strategie der Überwindung", Lee Kuan Yew "Strategie der Spitzenleistung" oder Margaret Thatchers "Strategie der Überzeugung" zukunftsfähig?