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COVID 19, Klima- und Umweltschutz -Gemeinsamkeiten?

Verantwortlicher Autor: Lydia Budiner Berlin, 18.04.2020, 22:27 Uhr
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COVID 19, Klima- und Umweltschutz - mehr Gemeinsamkeiten als gedacht?
COVID 19, Klima- und Umweltschutz - mehr Gemeinsamkeiten als gedacht?  Bild: Lydia Budiner

Berlin [ENA] Ist es in Zeiten einer Pandemie wie COVID 19 erlaubt auch an Klima- und Umweltschutz zu denken? Oder ist das obsolet – weil es viel Wichtigeres gibt? Oder gibt es gar einen Zusammenhang zwischen COVID 19 und Klima- und Umweltschutz? Wir wollen diesen Fragen hier einmal nachgehen.

Was haben COVID 19, Ebola, HIV und Influenza gmeinsam? Was ist der gemeinsame Nenner von SARS, MERS und COVID 19? Und was hat die Weltorganisation für Tiergesundheit (OIE) mit solchen Erkrankungen zu tun? Gibt es da Zusammenhänge? Welche Rolle spielt dabei die Umweltzerstörung und der Klimawandel? Fragen über Fragen - auf einige werden wir hier Antworten finden. Lesen Sie weiter.

Pandemien - gar nicht so selten im 20. und 21. Jahrhundert

Eine Epidemie ist eine zeitlich und räumlich begrenzte starke Zunahme des Vorkommens v.a. von Infektionskrankheiten, mit nachfolgend starkem Rückgang des Erkrankungsvorkommens. Eine Pandemie ist eine Epidemie, die sich über Länder und Kontinente ausbreitet und in der Regel ein große Anzahl von Menschen betrifft, z.B. Influenzapandemien. Die "Spanische Grippe" war so eine Pandemie, denn sie trat keineswegs nur in Spanien auf (s.u.).

Seit dem frühen 20. Jahrhundert haben sich vier Influenza-Pandemien ereignet, die vor allem auf die „Mutter aller Pandemien“, d.h. die Spanische Grippe zurückzuführen sind und durch verschiedene Abwandlungen des auslösenden Erregers hervorgerufen wurden. Wasservögel bilden das ursprüngliche Reservoir von Influenza-Viren, die dann u.a. Haustiere wie Pferde, Hühner oder Schweine infizieren können. Von diesen Tieren aus können die Influenza-Viren dann auf den Menschen übertragen werden und zu virulenteren Subtypen mutieren. Man nennt virale Infektionen, die sowohl bei Tieren (Wirbeltieren) als auch bei Menschen vorkommen, Zoonosen. Zoonosen sind die Basis einiger Pandemien.

Wissenschaftler des RKI (Robert-Koch-Institutes) haben folgende Schätzwerte bzgl. der Influenza-Ausbrüche veröffentlicht (Buchholz et al.: Todesfälle durch Influenzapandemien in Deutschland 1918 bis 2009. Bundesgesundheitsblatt, 4/2016): • 1918/19 (verursacht durch den Suptyp A(H1N1)), die „Spanische Grippe“: geschätzt 426.600 pandemiebedingte Todesfälle in Deutschland (nach WHO-Angaben 20- bis 50 Millionen pandemiebedingte Todesfälle weltweit) • 1957/59 (verursacht durch den Subtyp A(H2N2), die „asiatische Grippe“: geschätzte 29.100 pandemiebedingte Todesfälle in Deutschland (nach WHO-Angaben 1- bis 4 Millionen pandemiebedingte Todesfälle weltweit)

• 1968 – 1970 (verursacht durch den Subtyp A(H3N2), die „Hongkong-Grippe“ : geschätzte 46.900 pandemiebedingte Todesfälle in Deutschland (nach WHO-Angaben 1- bis 4 Millionen pandemiebedingte Todesfälle weltweit) • 2009/10 (verursacht durch den Subtyp A(H1N1) pdm09), die „Schweine-Grippe“: geschätzte 350 pandemiebedingte Todesfälle (gemeldet: 252) in Deutschland (nach WHO-Angaben ca. 200.000 pandemiebedingte Todesfälle weltweit).

Am Beispiel der Schweine-Grippe ist gut nachvollziehbar, wie komplex sich Viren wandeln können. Im Jahr 2009 tauchte in Mexiko ein neuartiges Grippevirus auf. Die Vorläufer-Viren enthielten Erbanlagen von Influenzaviren aus Schwein, Vogel und Mensch, infizierten Menschen aber nur selten. Das 2009 erstmals nachgewiesene pandemische H1N1-Virus enthielt zusätzlich noch zwei Gene von Influenzaviren, die man aus Schweinen in Europa und Asien kannte und die ursprünglich von Vögeln abstammten. Vielfach zirkulieren die Influenza-Viren ohne Krankheitssymptome hervorzurufen in Wasservögeln, die ihre natürlichen „Wirte“ sind. Wenn sie jedoch in Nutztiere gelangen, können sie große wirtschaftliche Schäden verursachen und zum Risiko für Menschen werden.

Schweine gelten dabei häufig als potentielle „Mischgefäße“ für genetische Neukombinationen der Influenza-Viren. Durch fortlaufende genetische Veränderungen und Virus-Übertragungen über verschiedene Tierarten bis zum Menschen, können immer wieder neue Influenza-Erreger entstehen und zu neuen Pandemien führen. Obwohl sich seit der Spanischen Grippe 1918 viel getan hat, sterben auch heute noch Menschen an Influenza.

Globalisierung und Klimawandel, die Zunahme der Weltbevölkerung und das damit einhergehende Vordringen der Menschen in immer entlegenere Gebiete u.a. zur Nahrungsgewinnung, zur Landgewinnung für Ackerbau, Viehzucht, der Handel mit Wildtieren, aber auch Massentierhaltung können das Auftreten neuer Krankheitserreger beschleunigen. Die starke Reisetätigkeit der Menschen, die wachsende weltweite Vernetzung und Zusammenarbeit, erlauben es heute mehr noch als in früheren Jahren, dass einzelne Infizierte eine große Menge an weiteren Menschen weltweit infizieren können. Wildtierhandel ermöglicht auch auf dem Niveau der Tiere eine rege Durchmischung mit Krankheitserregern aus verschiedenen Ländern – Experten warnen schon seit Jahren vor der Gefahr

All das hat mit dazu beigetragen, dass in den vergangenen Jahrzehnten fast jedes Jahr ein neuer klinisch relevanter Krankheitserreger aufgetaucht ist. Das Tierreich ist dabei ein fast unerschöpfliches Reservoir für unvorhergesehene Infektionsgefahren. Auch der große Ebola-Ausbruch 2014/2015 in Westafrika hat seinen Ursprung im Tierreich, vermutlich trat der Erreger von Fledermäusen auf Menschen über.

Ein Wechsel vom Tier zum Menschen lag auch beim Humanen Immundefizienz Virus – kurz HIV-vor. Das Virus führt nach einer Infektion des Körpers langfristig zur Immunschwäche AIDS. Es sprang aller Wahrscheinlichkeit nach im frühen 20. Jahrhundert erstmals vom Affen auf den Menschen über. Ab Ende der 1970erJahre verbreitete es sich um die ganzen Welt. Weltweit sind heute über 36 Millionen Menschen mit HIV infiziert. In Deutschland leben derzeit ca. 80.000 HIV positive Menschen. Jährlich erkranken hier 3.500 Personen neu und 500- 600 p.a. sterben an AIDS.

Pandemien des 21. Jahrhundert wurden auch durch die neu aufgetretene Corona-Viren (CoV) hervorgerufen. Diese sind schon länger als Krankheitserreger bekannt, die von verschiedenen Tierarten auf den Menschen übertragen und dort zu lebensbedrohlichen Infektionen führen können. Corona-Viren (CoV) verursachten die Lungenerkrankung SARS, die erstmals Ende 2002 in China beobachtet wurde und im Frühjahr 2003 auf mehreren Kontinenten auftrat und seinen Ursprung im Tierreich hatte. Das Akronym SARS steht hierbei für “Schweres Akutes Atemwegssyndrom”. Vermutlich übertrug sich das SARS-CoV über wilde, in China als Delikatessen gehandelte Schleichkatzen (Paguma larvata) auf den Menschen.

Das Akronym MERS steht für „Middle Eastern Respiratory Syndrom“ (Atemwegs-Syndrom im Nahen Osten). Das mit dem SARS-Erreger verwandte MERS-CoV wurde offenbar über Kamele auf Menschen übertragen. Es ist 2012 erstmals aufgetaucht und verursacht seither immer wieder Erkrankungen und Todesfälle, in erster Linie auf der arabischen Halbinsel. Aus der Gruppe der Corona-Viren kommt auch der Erreger der COVID 19 Erkrankung.

COVID 19- Corona-Virus (SARS-CoV-2) und Umwelt

Ein Teil der Erkältungskrankheiten des Menschen wird durch Corona-Viren (CoV) ausgelöst. Selten können CoV, die zuvor nur Tiere infiziert haben, auf den Menschen übertreten, sich dort weiterverbreiten und auch zu schweren Erkrankungen führen. In der Vergangenheit war das bei den Ausbrüchen von SARS-CoV (Severe Acute Respiratory Syndrome) und MERS-CoV (Middle East Respiratory Syndrome) der Fall. Nun ist es auch bei dem neuartigen Coronavirus (SARS-CoV-2) so.

Die Erkrankung, welche durch SARS-CoV-2 ausgelöst wird, wird als COVID 19 bezeichnet (Corona Virus Disease 2019). Es wird vermutet, dass das Virus von Fledermäusen stammt. Die ersten Patienten haben sich vermutlich auf dem Huanan-Seafood-Markt in der chinesischen Stadt Wuhan infiziert, auf dem auch Wildtiere bzw. Organe von anderen Tieren und Reptilien angeboten wurden. Der Mensch spielt somit auch bei der COVID 19 Pandemie eine wichtige Rolle. Er hat dafür gesorgt, dass sich eine neue Zoonose durch den Kontakt zwischen Wildtieren (den natürlichen Wirten des SARS-CoV-2) und Menschen zu der größten Pandemie des 21. Jahrhunderts entwickeln konnte.

Durch die stark vernetzte Weltbevölkerung können solche modernen Krankheitsausbrüche schnell zu Pandemien werden. Viele Menschen waren überrascht, mit welcher Geschwindigkeit sich COVID 19 weltweit ausgebreitet hat. Dabei warnen Wissenschaftler schon lange vor solchen Pandemien. Durch Flugreisen rückt die Welt zusammen. Ein Virusträger kann in einer Woche Menschen rund um den Globus infizieren, ein mit einem neuen Virus eingeführtes Wildtier, kann viele andere Tiere oder gar den Menschen infizieren. Die Verbreitung und die Geschwindigkeit der Verbreitung einer Infektionskrankheit in einer immer enger zusammen lebenden Gesellschaft mit immer weniger und immer größeren Agrarbetrieben ist heute leichter und rascher, als noch vor 100 Jahren.

Die Eingriffe in natürliche Lebensräume, der Rückgang der Artenvielfalt und die Störung von Ökosystemen machen es sehr viel wahrscheinlicher, dass Viren, die bei ihren natürlichen „Wirten“ keine Symptome auslösen, auf andere Arten (Nutztiere oder Menschen) übergreifen und so enorme Schäden anrichten können. Das belegen Studien internationaler Wissenschaftler. So haben die Ausbrüche von neu aufgetretenen Infektionskrankheiten stark zugenommen. Mehr als zwei Drittel dieser Krankheiten gehen auf Tiere zurück. Und etwa 70 Prozent davon stammen von Wildtieren. Viele der uns bekannten Infektionskrankheiten - Ebola, HIV, Schweine- und Vogelgrippe - sind Zoonosen.

Der Handel mit lebenden Wildtieren boomt. Internationale Studien konnten zeigen, dass in der Zeit von 2012 bis 2016 insgesamt 11.569.796 lebende Wildtiere (ca. 1316 verschiedene Arten) aus 189 Ländern exportiert wurden. Hauptexportländer sind dabei u.a. China und Südafrika. Importiert wird in die USA und andere Industrienationen- und aus diesen Importländern – und nicht aus den Ursprungsländern, rühren die meisten, der Weltorganisation für Tiergesundheit gemeldeten Tierkrankheiten. Die Gefahr für neue Pandemien aufgrund von der Entstehung neuer Zoonosen u.a. durch Wildtierhandel ist groß. Doch nicht nur neue Pandemien können durch Wildtierhandel hervorgerufen werden.

Unsere heimische Tierwelt ist durch die Einführung von exotischen Wildtieren ebenfalls in Gefahr. Viehbestände, nationale Wildtierpopulationen und die Funktion von Ökosystemen können gefährdet werden. Klimawandel, Umweltverschmutzung, Versiegelungen von Böden einerseits und deren Überdüngung und Übernutzung andererseits, Verstädterung, Überbevölkerung - all diese Faktoren beeinflussen wie gesund wir leben können und wie gut unser Immunsystem und unsere Gesundheitssysteme auf neue Zoonosen reagieren können.

Klimawandel und Krankheiten

Klimawandel wird den Lebensraum der einheimischen Flora und Fauna verändern. Niederschlagsmenge, -dauer und -frequenz, Sonnenstunden, Durchschnittstemperaturen, Vegetationsperioden etc. werden die einheimische Flora und Fauna als Lebensgrundlage für Wild- und Nutztiere verändern. Was hat das mit neuen Erkrankungen zu tun? Einerseits können Krankheitsüberträger wie z.B. Mücken, Bremsen, Gnitzen, in einigen Regionen dann besser gedeihen und evlt. zusätzliche Infektionskrankheiten übertragen, in anderen Regionen können sie dagegen entfallen. Andererseits können Tiere aufgrund z.B. von längeren Trockenzeiten oder kürzeren Vegetationsperioden schlechter gedeihen und so anfälliger für Erkrankungen werden.

Menschen werden aufgrund von geänderten Bodenverhältnissen, Wüstenbildung oder Überschwemmungen gezwungen sein, sich neue Lebensräume und neue Nahrungsquellen zu erschließen. Dabei werden sie zwangsläufig in dem neuen Lebensraum ihre Umwelt verändern (z.B. durch Abholzung) neue Tiere auf den Speiseplan setzen und so evtl. weiteren Zoonosen oder anderen Infektionen Vorschub leisten. Bekannte Agrarprodukte und Futterpflanzen werden nicht mehr gedeihen, Opfer von neuen Krankheiten werden und durch andere Pflanzen und Tiere ersetzt werden müssen. Mangels Artenvielfalt ist auch der genetische Pool für Nutztier- oder Nutzpflanzenarten klein, es mangelt an Auswahl evtl. besser zu den neuen Umweltbedingungen passenden Arten.

COVID 19 als Chance - Umdenken und Umlenken

COVID 19 sollte nicht Hinderniss sondern Ansporn sein, weiter die Themen Klima- und Umweltschutz voranzutreiben. Wir müssen uns behutsam auf den unvermeidbaren Klimawandel einstellen – weltweit. Wir müssen uns Fragen, wie unsere Tiere und Wälder besser auf andere Temperaturen, Vegetationsperioden und Niederschlagsmengen vorbereitet oder angepasst werden können und gleichzeitig konsequent und effektiv Maßnahmen umsetzen um den Klimawandel zu kontrollieren und zu stoppen. Wir brauchen Zeit, bis wir wissen, welche Nutzpflanzen auch unter neuen klimatischen Verhältnissen gedeihen und wie wir eine klimaneutrale Energieversorgung gewährleisten können.

COVID 19 hat uns zudem gezeigt, dass Fernreisen nicht unerlässlich sind, vieles vom Home-Office aus geht und ein Innehalten, ein „Weniger-ist-Mehr“, plötzlich neue Ressourcen, neue Perspektiven und neue Möglichkeiten eröffnet. Nachhaltiger Konsum, menschliches Miteinander, Hinsehen und nicht Wegschauen – dass sollten wir uns auch für die Zukunft bewahren. Die Zahl der Fußgänger ist in den Zeiten von COVID 19 gestiegen – plötzlich finden sich wieder Familien auf Wanderschaft im Wald und lernen, dass das Gute so nah ist und für die Gesundheit so wichtig. Nicht die Kreuzfahrt in die Karibik macht glücklich, sondern menschliche Nähe und ein Waldspaziergang. Damit das auch in der Zukunft möglich ist, brauchen wir Klima- und Umweltschutz-JETZT.

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