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ICE-Havarie im Fleckbergtunnel

Verantwortlicher Autor: K.-W. Fleißig / PM TMIK Hildburghausen/Goldisthal, 26.06.2019, 09:02 Uhr
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Rettungskräfte auf dem Weg zum ICE
Rettungskräfte auf dem Weg zum ICE  Bild: K.-W. Fleißig

Hildburghausen/Goldisthal [ENA] Es ist Sonnabendmorgen gegen 9.20 Uhr am vergangenen Wochenende, als von einem ICE im Fleckbergtunnel nahe Goldisthal im benachbarten Landkreis Sonneberg ein Notruf abgesetzt wird. Von der entsprechenden zentralen Bahnstelle für das Notfallmanagement werden die Rettungsleistellen ...

der für diesen Notfall vorgesehenen Einheiten in den Landkreisen und kreisfreien Städten alarmiert. Sirenen und Funkmeldeempfänger rufen die Männer und Frauen in ihre Depots, so dass die Einsatzbereitschaft hergestellt werden kann. Auch im kleinen Ort Goldisthal sind die Sirenen nicht überhörbar und künden von einem Notfall. Damit läuft eine der größten Übungen im Länderdreieck Sonneberg, Ilmenau und Saalfeld-Rudolstadt an, die es in Thüringen je gegeben hat. Es setzt sich ein abgestimmtes Räderwerk in Gang, das sich zur Rettung der ICE-Passagiere in Richtung Fleckbergtunnel und die entsprechenden Bereitschaftsräume auf den Weg macht.

Das Gebiet wird weiträumig für den Verkehr gesperrt, um die Einsatzfahrzeuge nicht zu behindern. Auch über die App „Katwarn“ wird auf die Einsatzübung verwiesen. Insgesamt werden ca. 1.500 Personen an dieser Großübung für den Ernstfall beteiligt sein. Ermöglicht wurde das Szenario durch Arbeiten im Bereich des Erfurter Hauptbahnhofes, so dass auf dieser Strecke keine ICE fahren konnten. Im ehemaligen DB Informationszentrum in Goldisthal haben sich die Pressevertreter eingefunden, um von der Großübung zu berichten.

Erste Informationen erhalten sie vom Leiter der Gesamtkoordinierung der Gefahrenabwehr an der Neubaustrecke der VDE 8.1. Ebensfeld-Erfurt Marc Stielow, dem Konzernbevollmächtigten der Deutschen Bahn für die Region Südost Eckart Fricke oder auch dem Innenstaatssekretär Udo Götze. Auch der Landrat des Landkreises Saalfeld-Rudolstadt Marko Wolfram ist zugegen und Beobachter der Übung. Das Szenario sieht vor, dass ein mit ca. 300 Personen besetzter ICE auf der Hochgeschwindigkeitsstrecke Ebensfeld-Erfurt nach einer Gefahrenbremsung im Fleckbergtunnel zum Stehen kommt. Im mittleren Zugbereich ereignete sich ein Entstehungsbrand der Transformatoren, der sich im weiteren Verlauf zu einem Vollbrand entwickelt hat.

Während der Phase des Entstehungsbrandes werden ca. 240 Reisende durch die Zugbegleiter nach dem Konzept der Selbstrettung in Sicherheit gebracht. Sie werden von eingetroffenen Einsatzkräften betreut und mit einer Anhängekarte für Verletzte und Kranke registriert. Alle ca. 60 weiteren Personen, welche aufgrund ihrer Verletzung den ICE oder Tunnel nicht selbst verlassen können, werden durch die Einsatzkräfte der Feuerwehren nach dem Konzept der Fremdrettung aus dem Fleckbergtunnel gerettet. Sie weisen die verschiedensten Verletzungsmuster auf, die auch realitätsnah geschminkt waren.

So dringen aus dem Südportal des Fleckbergtunnels den herbeieilenden Rettern Hilfeschreie der Reisenden, die sich nicht selbst retten konnten, und mit Hilfe von Nebelmaschinen erzeugter dichter Qualm entgegen. Damit kommt für die Einsatzkräfte zur körperlichen Komponente eine besonders psychische hinzu. Das in den Jahren vor Inbetriebnahme der Neubaustrecke in Theorie und Praxis erworbene Wissen kommt nun zur Anwendung. An gleicher Stelle gab es übrigens vor zwei Jahren bereits eine Übung, aber nicht in einem solchen Ausmaß. Den Eigenschutz beachtend, dringen nacheinander Erkundungstrupp, Löschtrupp sowie Such- und Rettungstrupp in den Fleckbergtunnel vor.

Mit der persönlichen Ausrüstung sowie zusätzlichen Rettungsmitteln, wie beispielsweise Schleifkorbtrage, sind sie physisch voll gefordert. Am Eingang zum Südportal des Fleckbergtunnels sind für den Notfall jedoch Rollenwagen angebracht, die nun auf die Schienen aufgesetzt werden und die Rettungsmittel zum havarierten ICE transportieren. Auf diesen werden dann auch die verletzt geretteten Reisenden zum Tunnelausgang transportiert, die sich nicht mehr selbstständig fortbewegen können. Um die Verletzten vor dem Rauch zu schützen, wurden sie mit einer Fluchthabe gesichert. Patientenablage, Betreuungsstellen und Anlaufstellen für Angehörige mussten ebenso eingerichtet werden wie eine Totenablage.

Es wurde im Übungsfall angenommen, dass drei Reisende ums Leben gekommen sind. In die Übung einbezogen waren auch die Orte Großbreitenbach und Katzhütte mit einer Sammelstelle bzw. einem Bereitstellungsraum. „Das Retten, In-Sicherheit bringen und Schützen von Menschen steht bei allen Entscheidungen als primäres Einsatzziel im Vordergrund. In vielen Fällen ist die Rettung aber nur möglich, wenn zuvor vorhandene Gefahren beseitigt oder zumindest eingegrenzt werden“, so steht es in einer entsprechenden Feuerwehrdienstvorschrift. Während der Löschtrupp vorgeht, rüstet sich parallel der Such- und Rettungstrupp aus und beginnt ab dem Tunnelzugang mit der einhundertprozentigen Absuche.

Rettungskräfe aus 15 Landkreisen und kreisfreien Städten

Im Idealfall erfolgt die Umsetzung der drei Phasen Erkunden , Löschen, Suchen und Retten direkt hintereinander oder parallel. „An der Übung sind Rettungskräfte aus 15 Landkreisen und kreisfreien Städte beteiligt, die entweder Feuerwehren mit ihren Tunnelbasiseinheiten, den Regelrettungsdienst oder vordefinierte Einheiten für einen überörtlichen Massenanfall von Verletzten ÜMANV entsenden oder mit einer von neun aktiv eingebundenen Zentralen Leitstellen tätig werden“, so die Übungsverantwortlichen.

Dazu gehören die Gebietskörperschaften Saalfeld-Rudolstadt, der Ilm-Kreis, Sonneberg, Hildburghausen, die Stadt Suhl, Schmalkalden Meiningen, Gotha, der Saale-Orla-Kreis, die Städte Weimar, Jena, Erfurt, Gera und Eisenach sowie der Wartburg-Kreis und der Unstrut-Hainich-Kreis. Im Einsatz sind über 1.000 Rettungs- und Einsatzkräfte, über 300 Darsteller und über 200 Schiedsrichter, Beobachter und Gäste. Darin nicht erfasst sind Klinikmitarbeiter der Zentralklinik Bad Berka, der Helios Klinik Blankenhain, der Median Bad Liebenstein, des Hufeland Klinikums Mühlhausen, der Medinos Sonneberg, des Sophien- und Hufeland Klinikums Weimar, der Thüringen Klinik Saalfeld, der Ilm-Kreis-Klinik Ilmenau sowie des Zentralklinikums Suhl, ...

welche die 60 verletzten Reisenden im Übungsverlauf real aufnehmen sollten. Damit soll mit der Teilnahme dieser Kliniken die Rettungskette vollständig nachgestellt werden. Sie nutzen diese Gelegenheit, um in den Bereichen Notaufnahme, Diagnostik, OP-Bereiche und Intensivstationen die Abläufe bei einem Massenanfall von Verletzten zu üben. Neben bodengebundenen Fahrzeugen verbringt auch ein Rettungshubschrauber des ADAC die Patienten über den Luftweg in die zugewiesenen Krankenhäuser. Die Landes- und Bundespolizei ist mit insgesamt über 100 Einsatzkräften und mehreren Hubschraubern vor Ort. Für den Digitalfunk stellte das Großereignis eine Belastungsprobe dar.

Neben der Brandbekämpfung, der technischen Rettung und der medizinischen Versorgung kommt der psychosozialen und seelsorgerischen Notfallversorgung von Überlebenden, Angehörigen, Hinterbliebenen; Zeugen und Vermissten eine ebenso wichtige Aufgabe zu. Auch für die Einbindung dieser Kräfte sollte die Übung genutzt werden. In einer ersten kurzen Stellungnahme konnte der Leiter der Gesamtkoordinierung der Gefahrenabwehr an der Neubaustrecke der VDE 8.1. Ebensfeld-Erfurt Marc Stielow feststellen, dass die erste Phase der Übung gut angelaufen sei. Kritisch verlautbarte er, dass „wir in einigen Bereichen der Alarmierung nicht die Alarmierungswege hatten wie wir uns das erhofften“.

Die Frage sei, ob dies an technischen Belangen läge oder individuelles Versagen gewesen sei. Dazu gehöre auch die Alarmierung der Psychosozialen Notfallversorgung. Hier musste nachgesteuert werden. Irrläufer habe es auch bei der Anfahrt von Fahrzeugen zu den festgelegten Einsatzplätzen gegeben. Aus Fehlern bei Übungen kann gelernt werden. Schlimmer wäre es jedoch, wenn bei einem realen Notfalleinsatz das Räderwerk nicht gleichmäßig laufen und die Rettung von Personen ins Stocken geraten würde. So bleibt nur noch der Wunsch, dass solch ein Notfallszenario, wie am vergangenen Sonnabend im Fleckbergtunnel inszeniert, nie eintreten möge.

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